Sonntag, 5. Dezember 2010

Die Barbie-Revolution frisst die kleinen Kinder

Über die Neudefinition der weiblichen Brust im Zeitalter des Homunculus
Zu allen Zeiten haben kleine Mädchen mit Puppen gespielt. Dabei sahen die Puppen gern etwas rundlich, gut genährt und pausbäckig aus. Sie spiegelten das Ideal eines gut genährten Kindes, jedenfalls so, wie sich das die Erwachsenen dieser Generationen vorgestellt hatten.
Dann kam die Revolution. Die Barbie-Revolution.
Plötzlich sahen die Puppen wie Erwachsene aus. Wie erwachsene junge Frauen um die 19 zumindest. Nicht rundlich-pausbäckig-wohlgenährt, sondern schlank und rank. Mit schmalen Hüften, langen Beinen, großen Brüsten, langen blonden Haaren und Puppengesicht im Puppengesicht. Und die kleinen Mädchen in vielen Ländern der Welt, die, deren Eltern es sich leisten konnten, legten die pausbäckigen, kindlichen oral frustrierten Puppen beiseite und spielten mit Begeisterung mit Barbiepuppen.
Ist es ein Zufall, dass immer mehr junge erwachsene oder heranwachsende Frauen dem Körperbild von Barbie nacheifern? Die endemische Ausbreitung von Essstörungen bei Teenagern ist nur ein Symptom unter vielen. Bodyshaping um jeden Preis, da wird geschnibbelt, was das Zeug hält. Von Schönheitschirurgen oder im Selbstversuch der Borderline-Verzweiflung. Für westliche Teenager sind Brustvergrößerungen und anderen Schönheits-OP ein favorisiertes Geschenk zum bestandenen Abitur, im Trend liegen neuerdings auch Genitaloperationen an Schambein und Schamlippen – es gibt halt so vieles zu perfektionieren und zu modellieren am weiblichen Körper, bis frau dem Vorbild der Barbiepuppe nahekommt. Ein mühseliger, harter und auch teurer Weg.
Foto: Sosuke-Sagara
Jetzt nähern wir uns allmählich der nächsten Stufe, wie eine aufgeregte Debatte in der Öffentlichkeit zeigt: Jetzt geht des der biologischen Grundfunktion der weiblichen Brust an den Kragen: Wie jüngste Umfrageergebnisse andeuten, sind immer weniger jungen Frauen bereit, aus ästhetischen Gründen ihre Brüste zum Stillen ihres Nachwuchses einzusetzen. Denn nach ihrer Ansicht sind die Brüste in erster Lilnie Sexualorgane (“Fun Bags”) und haben nichts im Mund von Säuglingen zu suchen.
Kathryn Blundell, leitende Redakteurin der britischen Ausgabe des Print-Magazins Mother & Baby gab diesem Trend mit folgender Formulierung Ausdruck:
Sie (meine Brüste; Einf. d. A.) sind auch Teil meiner Sexualität - nicht nur Brüste, sondern auch "Fun Bags". Und wenn man diese Einstellung hat (und ich gestehe, dass ich keinen Versuch unternahm, dies zu ändern) und sieht, wie dein winziges, kleines unschuldiges Baby dort andockt, wo zuvor nur ein Liebhaber hindurfte, dann fühlt sich das, ja nun, etwas gruselig an.
Geht es jetzt also bald den Säuglingen an den Kragen, transformieren wir uns bald von Säugetieren zu perfekten Puppen, befreit von den Ketten der Biologie und der Evolution? Der Homunculus ist keine Vision mehr, er ist Realität. Na, denn Prost!

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