Dienstag, 5. Oktober 2010

Wie raube ich mir den Schlaf?

Jeder zweite Berufstätige in Deutschland leidet unter Schlafstörungen.

Eine Studie der DAK zeigt signifikante Steigerungenraten in den Fehlzeiten wegen Schlafstörungen, seit 2004 haben diese um rund 50 Prozent zugenommen. Soweit ein paar der Fakten, die ich zum Ausgangspunkt meiner Anmerkungen mache. Denn, obwohl diese Studie noch andere aufschlussreiche Details über die Befindlichkeiten des modernen Menschen aufzeigt, möchte ich mich hier nicht in Details verlieren.
Wenden wir uns doch einfach mal diesem Phänomen Schlafstörung zu. Was ist wesentlich an ihnen? Die meisten Schlafstörungen haben eine Gemeinsamkeit: dass Körper und Geist nicht beide entspannt sind oder eine Instanz von beiden in einem Zustand der Überregung verharrt.
Ich sehe einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Zunahme von Schlafstörungen und der Unfähigkeit zur Entspannung. Letztere wiederum ist in weiten Teilen einem Lebensstil geschuldet, dem ein wachsender Leistungsdruck nicht nur im Berufsleben, sondern auch in der sog. Freizeit zueigen ist. Das Grundmuster des Leistungsdrucks, vom Ansatz her ein sinnvolles Prinzip einer renditeorientierten Ökonomie, hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte sukzessive auf alle Lebensbereiche ausgedehnt. Der Leistungsdruck beginnt im Kindergarten und macht selbst vor der sexuellen Lust im Erwachsenenalter längst nicht mehr halt (siehe meine Beitrag Stress im Bett). In jeder Situation leistungsbereit, das Optimum bringen, der oder die Beste sein. Stoppuhr, Maßband, Tabellen,Statistiken sind allgegenwärtig, um uns herum und in den Köpfen sowieso. Sie alle haben nur einen Sinn: zu quantifizieren und damit vergleichbar zu machen. Wir sind im dauernden Wettbewerb auf dem Weg zu Superstar.
Tagtäglich umgeben von erfolgreichen Vorbildern in allen Bereichen konkurrieren Gehirne und gehirndominierte Körper in jeder Minute, um ihr Bestes zu geben und der oder die Beste zu werden. Denn diese Leistung verspricht nicht nur Ruhm und Ehre, sondern höchstes Glück oder Glück in seiner höchsten Form.*
Tja, und dann wundert sich jemand über Schlafstörungen? Die Wahrheit ist: Selbst Superstars sind nicht davor gefeit. Denn sie müssen sich jederzeit Sorgen machen, wieder in die Tiefe der Bedeutungslosigkeit zu fallen. Das mag ein ähnlich angsteinflössendes Gefühl zu sein, wie seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Aber selbst solange man einen hat, einen Arbeitsplatz, sind Ängste und Leistungsdruck ganz schlechte Ruhekissen.
Der Schlüssel liegt darin sich wirklich zu entspannen. Das beginnt damit, einmal nichts zu tun. Auch in der Freizeit nicht, kein TV, keine Musik, keine Illustrierte. Einfach mal nichts, gar nichts machen. Auch nicht Pläne schmieden, über etwas Wichtiges nachdenken. Gar nichts. Einfach an die Decke starren, an die Wand oder aus dem Fenster, mit halboffenen Augen. Wie die Katze zum Beispiel. Haben Sie schon mal gehört, dass die Schlafstörungen hat?
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* Der Leistungssport zeigt uns wieder immer diese Glückversprechen, wenn die Sieger befragt werden "Und wie fühlen Sie sich jetzt?" Als ob jener Augenblick ein Augenblick der Erleuchtung wäre. Vielleicht ist er es sogar, aber anders: Die Augenblicke von Ruhm und Reichtums sind nicht wirkliche Glücksmomente, denn sie liegen nur im Auge des Betrachters, im Auge der Millionen Zuschauer, die in den Bildschirm starren. Ob sie wirklich im Herzen des Siegers Spuren hinterlassen?

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