"Ein Kind, das heute
geboren wird, wird ohne jegliche Vorstellung von Privatsphäre aufwachsen. Es wird niemals wissen, was es bedeutet, einen
privaten Moment nur für sich zu haben; einen Gedanken, der nicht aufgezeichnet
und analysiert wird." (Edward Snowden in seiner Weihnachtsbotschaft am
25.12.13)
Snowden verwies in
derselben Botschaft auch auf die Vorstellungen von George Orwell, der in seinem
berühmten Roman "1984" das Zukunftsbild eines totalitären
Überwachungsstaates entworfen hatte mit der Bemerkung, diese düsteren Visionen
seien in der heutigen Realität "nichts gegen das, was heute verfügbar
ist".
Nun zeigt die
Geschichte, dass der Mensch, was er technisch entwickelt und was technisch
machbar ist, auch bedenkenlos einsetzt, offen oder versteckt, mit
gesellschaftlich-politischer Legitimation oder auch ohne diese. Geheimdienste
und Militär sind von jeher die Grau- und Dunkelzonen, in den das technische
Machbare weitgehend bedenkenlos entwickelt und eingesetzt wird. Denn hier sind
die gesellschaftlichen, moralischen und ethischen Kontrollmechanismen
vergleichsweise reduziert. Das Feindbild vor Augen, scheint hier alles legitim.
"Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben", das war schon immer das Motto
von Militär und Geheimdiensten und besitzt eine nachvollziehbare Logik. Das 20.
Jahrhundert mit seinen schrecklichen Weltkriegen und totalitären Systemen ist
das perfekte Lehrbuch für dieses Motto.
(c) vkd |
Auch Nineeleven war
Katalysator für die Strategien der NSA, denen wir heute so fassungslos
gegenüber stehen.
Indem der Mensch die
Technik zur Generalantwort auf alle existenziellen Fragen erhoben hat, ist er
gleichzeitig Sklave seines kollektiven Unbewussten, das sich in der Technik
manifestiert. Ein kollektives Unbewusstes, dass von abgrundtiefem Misstrauen und
Menschenfeindlichkeit geprägt ist, entwickelt nicht nur die entsprechenden
Techniken, sondern setzt sie auch unbedenklich ein - und reproduziert damit
abgrundtiefes Misstrauen und Menschenfeindlichkeit auf einer höheren Stufe.
Diesen existentiellen Teufelskreis dürfte Heidegger, einer der bedeutenden
Philosophen des 20. Jahrhunderts, vor Augen gehabt haben, als er die Technik, welche Heidegger als das "Gestell" des Menschen definierte, eine Wirkkraft, die auch die potentielle
Selbstvernichtung der Menschheit beinhaltete.
Auf gleichem
Hintergrund schrieb Orwell sein berühmtes Werk "1984". Wichtig zu
wissen, das Orwell damals Ende der 40er Jahre den totalitären Überwachungsstaat
eines Josef Stalin vor Augen hatte und als zukünftige Vision eines
Überwachungsstaates des Schreckens hochrechnete.
Heute stehen wir
hier und reiben uns die Augen bei der entsetzlichen Erkenntnis, dass nicht nur
die bekannten totalitären Staaten (wie China, Iran, Nordkorea etc.) eine
perfekte Durchleuchtung jeglicher Privatheit vornehmen, sondern ein
bürgerlich-demokratisches System wie die USA sich hier absolute Vorreiter und
"Weltmarktführer" gerieren ("Teufel" Hitler wurde ja auch
von den US-Amerikanern zum Anlass genommen, die Menschheit mit dem
"Beelzebub" Atombombe mithilfe des ebenso höchst geheimen
"Manhattan-Projekt" zu beglücken).
Die historische
Hochburg der demokratisch-bürgerliche Grundrechte, das Land, in denen die erste
bürgerlich-demokratische Verfassung der Weltgeschichte Realität wurde, welche
den Schutz von Privateigentum und Privatheit zum höchsten Gut einer
menschenwürdigen Gesellschaft erkoren haben, entlarvt sich heute als
technologische Avantgarde der totalen Aufhebung jeder Privatheit.
Allerdings, und das
ist der wesentliche Aspekt, reflektiert die technische Aufhebung der
Privatheit, die durch die geheimdienstliche technische Totalüberwachung so
augenfällig wird, nur einen Prozess, der unabhängig von 9/11, Geheimdiensten
und Militärtechnologie schon längst gesellschaftlich wirksam geworden ist: die
besessene Zurschaustellung und Aufhebung jeglicher Privatheit und Intimität,
die in den Massenmedien und vor allem in den sozialen Netzwerken des Internet
schon längst begonnen hatte, als der Teufel mit 9/11 auf die Erde kam und
Beelzebub aus der Flasche trieb. Für 3 Minuten "Fame" wird
bereitwillig "alles gegeben", um eine beliebte Phrase zu zitieren,
sei als Sportler, als angehender Superstar, Supermodell oder kleiner
"Facebooker", das ist die moderne Wirklichkeit.
Damit bewahrheitet
sich die o. a. These, dass die Technik und das technisch Machbare und Gemachte
immer nur das kollektive Unbewusste widerspiegelt. Das allein erklärt auch,
weshalb die immer neuen Enthüllungen eines Edward Snowden so geringfügigen
Widerstand in den bürgerlich-demokratischen Staaten hervorruft. Das Primat des
Privaten als Grundwert eines bürgerlichen Individualismus ist längst auf dem
Misthaufen der Geschichte gelandet.
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