Freitag, 3. Januar 2014

Privat, das war gestern.


"Ein Kind, das heute geboren wird, wird ohne jegliche Vorstellung von Privatsphäre aufwachsen. Es wird niemals wissen, was es bedeutet, einen privaten Moment nur für sich zu haben; einen Gedanken, der nicht aufgezeichnet und analysiert wird." (Edward Snowden in seiner Weihnachtsbotschaft am 25.12.13)

Snowden verwies in derselben Botschaft auch auf die Vorstellungen von George Orwell, der in seinem berühmten Roman "1984" das Zukunftsbild eines totalitären Überwachungsstaates entworfen hatte mit der Bemerkung, diese düsteren Visionen seien in der heutigen Realität "nichts gegen das, was heute verfügbar ist".

Nun zeigt die Geschichte, dass der Mensch, was er technisch entwickelt und was technisch machbar ist, auch bedenkenlos einsetzt, offen oder versteckt, mit gesellschaftlich-politischer Legitimation oder auch ohne diese. Geheimdienste und Militär sind von jeher die Grau- und Dunkelzonen, in den das technische Machbare weitgehend bedenkenlos entwickelt und eingesetzt wird. Denn hier sind die gesellschaftlichen, moralischen und ethischen Kontrollmechanismen vergleichsweise reduziert. Das Feindbild vor Augen, scheint hier alles legitim. "Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben", das war schon immer das Motto von Militär und Geheimdiensten und besitzt eine nachvollziehbare Logik. Das 20. Jahrhundert mit seinen schrecklichen Weltkriegen und totalitären Systemen ist das perfekte Lehrbuch für dieses Motto.

(c) vkd


Auch Nineeleven war Katalysator für die Strategien der NSA, denen wir heute so fassungslos gegenüber stehen.

Indem der Mensch die Technik zur Generalantwort auf alle existenziellen Fragen erhoben hat, ist er gleichzeitig Sklave seines kollektiven Unbewussten, das sich in der Technik manifestiert. Ein kollektives Unbewusstes, dass von abgrundtiefem Misstrauen und Menschenfeindlichkeit geprägt ist, entwickelt nicht nur die entsprechenden Techniken, sondern setzt sie auch unbedenklich ein - und reproduziert damit abgrundtiefes Misstrauen und Menschenfeindlichkeit auf einer höheren Stufe. Diesen existentiellen Teufelskreis dürfte Heidegger, einer der bedeutenden Philosophen des 20. Jahrhunderts, vor Augen gehabt haben, als er die Technik, welche Heidegger als das "Gestell" des Menschen definierte, eine Wirkkraft, die  auch die potentielle Selbstvernichtung der Menschheit beinhaltete. 

Auf gleichem Hintergrund schrieb Orwell sein berühmtes Werk "1984". Wichtig zu wissen, das Orwell damals Ende der 40er Jahre den totalitären Überwachungsstaat eines Josef Stalin vor Augen hatte und als zukünftige Vision eines Überwachungsstaates des Schreckens hochrechnete.

Heute stehen wir hier und reiben uns die Augen bei der entsetzlichen Erkenntnis, dass nicht nur die bekannten totalitären Staaten (wie China, Iran, Nordkorea etc.) eine perfekte Durchleuchtung jeglicher Privatheit vornehmen, sondern ein bürgerlich-demokratisches System wie die USA sich hier absolute Vorreiter und "Weltmarktführer" gerieren ("Teufel" Hitler wurde ja auch von den US-Amerikanern zum Anlass genommen, die Menschheit mit dem "Beelzebub" Atombombe mithilfe des ebenso höchst geheimen "Manhattan-Projekt" zu beglücken).

Die historische Hochburg der demokratisch-bürgerliche Grundrechte, das Land, in denen die erste bürgerlich-demokratische Verfassung der Weltgeschichte Realität wurde, welche den Schutz von Privateigentum und Privatheit zum höchsten Gut einer menschenwürdigen Gesellschaft erkoren haben, entlarvt sich heute als technologische Avantgarde der totalen Aufhebung jeder Privatheit.

Allerdings, und das ist der wesentliche Aspekt, reflektiert die technische Aufhebung der Privatheit, die durch die geheimdienstliche technische Totalüberwachung so augenfällig wird, nur einen Prozess, der unabhängig von 9/11, Geheimdiensten und Militärtechnologie schon längst gesellschaftlich wirksam geworden ist: die besessene Zurschaustellung und Aufhebung jeglicher Privatheit und Intimität, die in den Massenmedien und vor allem in den sozialen Netzwerken des Internet schon längst begonnen hatte, als der Teufel mit 9/11 auf die Erde kam und Beelzebub aus der Flasche trieb. Für 3 Minuten "Fame" wird bereitwillig "alles gegeben", um eine beliebte Phrase zu zitieren, sei als Sportler, als angehender Superstar, Supermodell oder kleiner "Facebooker", das ist die moderne Wirklichkeit.

Damit bewahrheitet sich die o. a. These, dass die Technik und das technisch Machbare und Gemachte immer nur das kollektive Unbewusste widerspiegelt. Das allein erklärt auch, weshalb die immer neuen Enthüllungen eines Edward Snowden so geringfügigen Widerstand in den bürgerlich-demokratischen Staaten hervorruft. Das Primat des Privaten als Grundwert eines bürgerlichen Individualismus ist längst auf dem Misthaufen der Geschichte gelandet.

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