Das Baby hingegen unternahm vergeblich Anstrengungen, die Aufmerksamkeit seiner Mutter auf sich zu ziehen. Ein paar kleinere Pakete und Plastiktüren lagen im Kinderwagen in Reichweite. Das Kind, ungelenkt, aber mit unendlicher Geduld, arrangierte diese Dinge immer wieder neu, offensichtlich mit der Absicht, die Aufmerksamkeit seiner Mutter auf sich zu ziehen. Vergeblich. Das Telefonat erschien der jungen Frau offenbar so wichtig, dass diese keinerlei Reaktion für ihr Kind zeigte. Dessen Bewegungen wurden heftiger, ja, ich glaubte Verzweiflung in diesen Bewegungen wahrnehmen, bis schließlich das größte der kleinen Pakete aus dem Kinderwagen fiel. Mit dem Ergebnis, dass das Baby jetzt die volle Aufmerksamkeit der Mutter fand. Sie brüllte laut los, nicht ohne vorher ins Telefon zu beschwichtigen "Moment mal" oder ähnlich (ich konnte die Worte nicht verstehen, dazu war der Lärm um uns herum zu groß), um dann ihr Kind anzubrüllen und bedrohlich mit den Armen zu fuchteln. Das Baby brach laut weinend in Tränen aus.
Die Mutter hob das Paket auf, drückte es mit kaum verhohlener Wut in den Kinderwagen zurück und wandte sich demonstrativ von ihrem Kind ab, um weiter zu telefonieren. Sie hatte offenbar einen für sich selbst befriedigenden Weg gefunden, um ihr Kind demonstrativ noch deutlicher zu missachten, als dies bereits vorher der Fall war.
Es war schmerzhaft, traurig und ärgerlich, Zeuge dieses Schauspiels zu sein. Es gab einen Impuls in mir, zu der jungen Frau zu gehen, sie zu schütteln und das Baby zu trösten, wohl wissend, dass dies eher Befremden als Verständnis hervorrufen würde.
Die Szene zeigt, wie
das Seelenleben in frühester Kindheit im alltäglichen Erleben geformt wird. Am
Anfang steht eine Kontaktstörung und das Baby reagiert darauf mit verstärkter
Aktivität, um den Kontakt wiederherzustellen, was zu dem "Unfall" führt,
als ein Paket aus dem Wagen fällt. Dieser "Unfall" löst einen
Aggressionsschub bei der Mutter aus, die sich dadurch in ihrem wichtigen
Telefonat gestört fühlt. Wahrscheinlich wird sie auch daran erinnert, dass sie
gerade als Mutter nicht gut funktioniert. Das Ego der Mutter poppt hoch und
zielt aggressiv auf den Urheber dessen, was es ankratzt: ihr eigenes Kind, das
sich ja nur der Bindung zur Mutter vergewissern wollte, wird zum Feind des
mütterlichen Egos, immer alles richtig zu machen.
Das tut weh. Das
Baby reagiert emotional auf diese aggressive Zurückweisung, reagiert mit
seelischem Schmerz und Tränen, vielleicht auf mit wütendem Protest. Doch was
geschieht, wenn sich diese Szenerie im Alltag in der Beziehung wiederholt, Tag
für Tag, wieder und wieder? Irgendwann wird das Kind innerlich aufgeben,
resignieren, verbunden mit der Erfahrung, dass nicht nur das Protestieren und
Weinen ohne Antwort bleibt, sondern das Bedürfnis nach Kontakt bereits fehl und
falsch ist. Das Kind lernt eine wichtige Lektion für sein Leben: Die emotionale
innere Wahrheit ist keinen Pfifferling wert, authentische Bedürfnisse und
Gefühle sind ohne Bedeutung und Wert, verglichen mit dem dieses kleinen
magischen Gegenstands in den Händen der Mutter, mit dem sie so gerne spricht.
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