Samstag, 27. Juni 2015

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE - DAS BUCH HIER IM BLOG



Heute beginne ich damit, mein seit vielen Jahren vergriffenes Buch Herz und Halt - Einführung in die seinsorientierte Körpertherapie neuerdings der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Es wird in kleinen, schnell lesbaren Abschnitten, in diesem Blog veröffentlicht.

Herz und Halt erschien im Jahr 2000 zum ersten Mal in Buchform, erlebte 3 Auflagen und geriet in Vergessenheit. Vor kurzem fiel es mir in die Hände, als ich mit meiner neuen Arbeit Halt, Selbsthalt und Transformation der Persönlichkeit begann. Dabei gewann ich den Eindruck, dass Herz und Halt heute durchaus noch aktuelle und interessante Ansätze enthält und es eigentlich schade ist, es weiterhin in der Schublade liegen zu lassen. Insbesondere die körpertherapeutischen Techniken, die hier vorgestellt wurden, haben sich in den 15 Jahren nach der Erstveröffentlichung bestätigt und weiterentwickelt und werden später in mein neues Buch einfließen.

Doch zunächst viel Freude, Anregung und Inspiration mit "Herz und Halt".

Volker Knapp-Diederichs


Teil 1:

Was ist Orgontik - seinsorientierte Körpertherapie?

Die Orgontik ist ein junges, vielleicht auch ungestüm jugendliches Modell der Körpertherapie. Es basiert u.a. auf der Orgonomie Wilhelm Reichs, der humanistischen Psychologie, der Säuglingsforschung und den neuen Erkenntnissen der Kardioenergetik („Herzenergetik“).

Dabei sucht die Orgontik nicht nur eine eigene Sicht auf die Dinge des Körper-Seele-Zusammenhangs, sondern fühlt sich auch in ihrer Sprache dieser Sicht verbunden: Der Verbindung von Körper, Herz und Verstand, die ihr zentrales Anliegen ist.

Der Begriff „Orgontik“ mag vertraut klingen. Sein Wortstamm bezieht sich auf den „Orgon“-Begriff von Wilhelm Reich. Die Bezugnahme auf „Orgon“ ist beabsichtigt. Zunächst, um der Inflation begrifflicher Anbändelungen an das Werk Wilhelm Reichs eine neuartige Variante hinzuzufügen. Andererseits, um anzudeuten, dass, bei mancher wohlwollend-kritischen Distanz zu einigen seiner Auffassungen, die ich an anderer Stelle formuliert habe [Knapp-Diederichs 1997], ich an Reichs Pionierarbeit einer westlichen Lebensenergieforschung anknüpfe und sie nach wie vor würdige.

Der 2. Teil des Begriffes entstammt dem Feld der Philosophie. Er zeigt sich inspiriert vom Terminus „Ontologie“, welcher die (philosophische) „Lehre vom Sein“, als „Lehre vom Sein im allgemeinen“ usw. bezeichnet [Buhr 1973, S. 806 ff.].

Was hat es mit dieser Betonung des Seins, die ja auch im Untertitel „Seinsorientierte Körpertherapie“ repräsentiert ist, auf sich?

Die Orgontik unterscheidet sich von therapeutischen Modellen, die sich am Machen, an der Leistung und am Interventionsaktivismus orientieren. Orgontik bezieht sich primär auf das Sein, nicht auf das Tun. Sie reflektiert damit den Antagonismus, dass sich seelische Wirklichkeit zwar auf der Seinsebene („ich bin verzweifelt“, „ich bin voller Selbsthass“ etc.) zeigt, ihre therapeutische Veränderung jedoch, wie alles in unserer Kultur, auf der Ebene des Machens und in der Haltung der Macher angestrebt wird.

Die Orgontik beschreitet einen anderen Weg. Die primär am Sein und nicht am Machen orientierte Orgontik trägt der Erfahrung Rechnung, dass die ursprüngliche seelische Wunde des Menschen auf der Seinsebene entstanden ist („ich wollte einfach nur geliebt und angenommen werden um meiner Selbst, aber nicht um einer erwarteten Leistung oder Erwartung willen ...“). Naheliegend erscheint mir, dass diese Wunde in seiner Tiefe auch nur auf der Seinsebene Transformation erfahren kann.

Allerdings überschreitet die Orgontik mit dieser Orientierung nicht nur hier und da festgeschriebene Terrains der in der Tradition Reichs positionierten Methoden der Körperpsychotherapie, sondern gewissermaßen westlicher Therapie überhaupt. Denn neben der an Handeln („Machen“ als Therapie) und Handlungsfähigkeit („Arbeitsfähigkeit“ als wichtiges Therapieziel) orientierten Grundhaltung basiert diese zudem auf einem Menschenbild, in dem das Gehirn sich als Sitz der Seele des Menschen, als Instanz des Seelenheils und als Heilmittel inthronisiert hat.

In unserer Kultur ist in der Regel das Gehirn gemeint, wenn man von der Seele spricht. Es ist das Gehirn gemeint, wenn man Leben und Tod definiert. Es ist das Gehirn gemeint, wenn man von „Vernunft“ als der Basis unserer gesellschaftlichen Bestimmung seit der Aufklärung spricht.

Wie das Gehirn in seinem Wesen auf das Tun, das Machen, die Intention des Gestaltens ausgerichtet ist, („sich regen bringt Segen“), so sind die Antworten einer sich daraus entwickelten Psychotherapie in erster Linie die des Tuns, des Machens, des Veränderns.

(Fortsetzung folgt)

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