Freitag, 19. August 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (106): Erfahrungsbereiche instinktiven Wissens

Foto: vkd

Wir haben gesehen, dass in jedem Menschen, mehr oder wenig deutlich zugänglich, eine Vorstellung darüber existiert, wie eine „gute Mutter“ oder ein „guter Vater“, im Gegensatz zu den realen Eltern, eigentlich sein müsste. Es ist die konkrete Vorstellung, wie diese fiktive „gute Mutter“ gehandelt hätte anstelle der realen, wenn es um die Bedürfnisse der eigenen Kindheit geht. Diese Repräsentanten des Guten oder Richtigen scheinen dabei in innewohnendes Korrektiv zu bilden, das die realen Erfahrungen kontrastiert.
   
Woher kommt diese Vorstellung eines „guten Vaters“ und einer „guten Mutter“? Woher weiß ein Kind so genau, was es eigentlich braucht und was es nicht bekommt, wenn es noch keine Erfahrung damit gemacht hat? Wie kommt es zu der Differenz zwischen Bedürfnis und realer Mangelerfahrung?
Wieder kommen wir hier zu dem Punkt, dass es so etwas wie ein „instinktives Wissen“ über das, was stimmig ist, geben muss, in dem Fall das Wissen über das stimmige Verhalten einer guten Mutter oder eines guten Vaters.

Ich bin überzeugt davon, dass dieses Wissen a priori, d. h. von Geburt an als eine Art biologisch-seelisches Programm in jedem Menschen angelegt ist. Mit dem Begriff „Instinkt“ sind häufig gewisse Berührungsängste verbunden, denn er verweist auf das „Menschentier“ in uns, auf das Animalische unserer Existenz, Zusammenhänge, die sich mit dem Hochmut unserer hochzivilisierten Kultur schwer vereinbaren lassen. Dennoch, auch wenn wir uns dagegen wehren, wir Menschen sind Instinktwesen, auch wenn der Wirkungsbereich dieser Instinkte evolutionsgeschichtlich inzwischen stark eingeschränkt ist (was mit der Dominanz der Rationalität unserer gehirndominierten Kultur zusammenhängt, die wir bereits in den Anfangskapiteln ausgeführt haben).

Gerade im Bereich von Schwangerschaft, Geburt und frühkindlicher Entwicklung betreten wir ein Terrain, in dem die Instinkte des Menschen noch eine relativ große Rolle spielen. Auch wenn weite Teile dieser gehirndominierten Gesellschaft einen subtilen Feldzug gegen dieses instinktive Wissen vollziehen, es mit Ratgebern, Expertenwissen und neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen ihrem Zugriff unterzuordnen versuchen.

Wir sollten allerdings genau definieren, was dieses instinktive Wissen eigentlich auszeichnet und was es unterscheidet von einem „Hab-ich-mal-gehört-Wissen“. Der wesentliche Unterschied ist, dass das instinkthafte Wissen transpersonal ist, d. h. in allen Menschen vorhanden und jenseits der Persönlichkeit des Einzelnen existiert. Entsprechend findet sich die Quelle des instinkthaften Wissens in jenen Tiefen der Seele, die nur in bestimmten Erfahrungsbereichen sich öffnen: Sexualität, Geburt, Tod, tiefe Berührung oder Begegnung, Liebe, spirituelle Transformation, Mutterschaft, Vaterschaft u.ä.

Es ist, also ob sich in diesen Lebensbereichen ein Schleier erhebt und die Wahrheit eines Seins hervortritt, die durch die Verneblung der gehirndominierten Ego-Programme unsichtbar blieb. Diese Verneblung, steht sie nicht in engem Zusammenhang mit unserer Anpassung an das falsche Leben, an die falschen Eltern?

(Fortsetzung folgt)

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