Mittwoch, 8. Dezember 2021

Wege zur Hingabe des Herzens

Das Elysium aus Leib und Seele singen

Annäherungen an das Phänomen
Diana Ankudinova (2. Teil)


Die Botschaft, welche die Interpretation von Diana Ankudinova ausdrückt, adressiert an die bedingungslose Hingabe an die Liebe. Eine Hingabe, in der keinerlei Ambivalenz, keine Zweifel, keine Haltegriffe und auch keine »Fallangst« bestehen bleiben. Eine Hingabe, die all dies hinweggefegt in ungehemmter, machtvoller Ausdrucksbewegung, die in Gesang, Körpersprache und Gestik, in ihrer ganzen Präsenz und unerschöpflichen Kraft aufscheinen. Im Grunde handelt es sich um den ganzheitlichen, ungebremsten und vollständigen Selbstausdruck im Hier und Jetzt der Präsentation, Hingabe an die eigenen Potentiale und Ressourcen aus den Tiefenschichten der Persönlichkeit.

Ich wollte mehr darüber erfahren, verstehen, wann und wie Gesangskunst derartig intensive Gefühlsreaktionen auslösen kann.

Hinweise fanden sich gleich »nebenan«, bei Youtube nämlich. Hier gibt es nicht nur Aufzeichnungen von Dianas Auftritten, sondern auch Hunderte von sogenannten »Reaction-Videos«. Hierbei handelt es sich um Videoclips, in denen eine musikalische Darbietung mimisch und verbal von einem oder mehreren Zuschauern begleitet und kommentiert wird. Die Kommentatoren präsentieren sich entweder als Fachleute, als Gesangslehrer, Opernsängerin, »vocal coach«, Musikerin etc., oder es zeigen sich musikaffine Zeitgenossen, die so die große weite (Social-Media-)Welt beglücken möchten.

Die »Reaktionäre« auf Diana Ankudinova, und es wurden Dutzende, die ich mir im Laufe der Zeit anschaute, reagierten enthusiastisch bis euphorisch auf die junge Sängerin. In den Kommentaren stimmten sie darin überein, dass es sich bei Diana Ankudinova um eine hochtalentierte Künstlerin mit unverwechselbarer Stimme und beeindruckender Bühnenpräsenz handelt. Vom Fachpublikum (... deren wirkliche fachliche Kompetenz ich nicht beurteilen kann) wurden meist die Einzigartigkeit und Schönheit der Stimmlage (»Contralto«), ihre reife Gesangstechnik und ihre stimmliche Bandbreite hervorgehoben.

Ich wollte die Faszination und die emotionalen Muster verstehen, die von dieser Künstlerin ausging. Meine Aufmerksamkeit galt daher nicht der fachlich-musikalischen Analyse, sondern den energetisch-emotionalen (Dieser Begriff verweist aus Wilhelm Reich (1897-1957), der Emotionen als Ausdruck lebensenergetischer Prozesse in lebenden Organismen betrachtete) Reaktionen. Dabei fanden zwei typische Elemente, die am häufigsten auftraten, meine Aufmerksamkeit:

•    »Gänsehaut« als vegetative Reaktion, welche die Zuschauer häufig erwähnten;
•    erkennbare Sprach-/Fassungslosigkeit, häufig verbunden mit starrem Blick, der auf einen Zustand von Trance verwies.

Beide Muster sprechen für spezifische emotionale Erfahrungen, die über das durchschnittliche Erleben von Musik weit hinausgehen.

Hier ein paar Aussagen, die Kommentatoren machten, nachdem sie ihre Sprache wiedergefunden hatten:
»Es ist, als könnte man das Lied in ihrem Gesicht lesen«
»Sie ist eine Naturgewalt.«
»Sie ist so hypnotisierend«
»Sie pustet mich einfach weg«
»Als ob das Gehirn explodiert«
»ich muss erstmal meine Tränen trocknen«
»wie auf einem Segelschiff auf großer Fahrt«
»die Königin der Gänsehaut« ...
 Auffällig erschienen mir die vegetativ-energetischen Reaktionen, allem voran der häufig genannten »Gänsehaut«. Zunächst die biologische Definition:

»Bei Kälte (Zittern), Angst oder Erregung kommt es zu einer vom vegetativen Nervensystem gesteuerten Kontraktion des Haarbalgmuskels (lat. Musculus arrector pili), so dass sich der Haarfollikel über die Hautoberfläche erhebt und sich das Haar aufrichtet (medizinischer Fachbegriff Piloerektion). Dies dient der Einschließung von mehr Luft zwischen den Haaren. An generell unbehaarten Hautflächen, wie Fußsohlen und Handflächen, kann keine Gänsehaut entstehen. Regionen mit selbst nur minimaler bzw. stark rudimentärer Behaarung dagegen zeigen bei entsprechenden Bedingungen durchaus diese sehr eindeutige Reaktion.
Gänsehaut tritt auf, wenn man von einem positiven Moment oder einem emotionalen Erlebnis berührt ist, wie zum Beispiel einem Musikstück oder einer jubelnden Menschenmenge.« (Aus: Wikipedia, Stichwort: »Gänsehaut«)

Musik als Auslöser für ein »emotionales Erlebnis«, Musik, die sprachlos macht, das waren doch vielversprechende erste Hinweise. Wie ließen sich die vegetativen Reaktionen im Zusammenwirken erklären? Was hatte Musik damit zu tun und vor allem: Unter welchen Voraussetzungen löste Gesang diese Wirkungen aus? Denn beileibe nicht jedes Lied zog sie nach sich. Im Gegenteil, vermutlich traf man auf dieses Phänomen das eher selten.(Fortsetzung folgt)

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