Mittwoch, 17. Januar 2018

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (228): Der narzisstische Teufelskreis

foto: pixabay
Damit trat das Thema Bindung in einen deutlichen Zusammenhang mit den energetischen Erfahrungen von Verbindung, die ein Mensch in seiner frühesten Entwicklung macht. Dies gilt insbesondere für die pränatale Phase und das erste Lebensjahr, in denen sich die Mutter-Kind-Bindung und das energetische (ich benutze hier den Begriff »energetisch«, um damit all die sensitiven, instinktiven, intuitiven und gefühlsbezogenen Potentiale zusammenzufassen, die im Vorfeld der Ich-Entwicklung und Wortsprache das Kind kennzeichnen) Wesen des Menschen am deutlichsten darstellen.

Gleichzeitig ließen sich nicht nur bei mir selbst, sondern bei allen erwachsenen Menschen eine auffällige übermäßige Identifizierung mit dem Verstand, seinen Urteilen und Konstrukten, beobachten. Dazu trat ein nahezu endemisches Bedürfnis nach den anerkennenden Blicken der anderen, der süchtige Wunsch, sich in inneren oder äußeren Wertsystemen sozial gespiegelt zu sehen. Ich kam also hier mit Fragen nach dem Wesen des Narzissmus, des Egos oder des narzisstischen Egos in Berührung. Ein heißes Eisen.

Was Bindung und ihre Störungsmuster betraf, versuchte das patriarchalische Modell von Therapie vom Olymp des diagnostischen Ego-Verstands herab, Symptome aus der präverbalen Entwicklungsstufe zu behandeln. Einer Phase, in der Verschmelzungserfahrungen, Nur-Körper-Sein, energetische und emotionale Präsenz jenseits der Gedanken und Begriffe, vorherrschen. Kann so etwas funktionieren?

Wie hing das alles zusammen? Eines erkannte ich deutlich: Es galt, sich dem Phänomen des Narzissmus und des Ego-Verstands zu stellen.

Ich beobachtete an mir, dass im Laufe meiner körpertherapeutischen Karriere die Bedürfnisse nach Bestätigung, Erfolg und Anerkennung, nicht ab-, sondern zunahmen. Nach wie vor wollte ich mich »wichtig« fühlen. Vieles davon spiegelte sich im Gradmesser Geld wieder. Die gesellschaftstypische Leistungsorientierung dominierte auffällig mein Denken.

Die freiberufliche Tätigkeit versetzte mich in die Position, das rechte Maß für mein arbeitsmäßiges Engagement zu verlieren, an den Rand der Erschöpfung zu geraten. Ähnliches hatte ich zuvor bei meinen Lehrern beobachten können. Also alles wie im normalen Leben.

Ich kompensierte meine Arbeitswut typischerweise mit steigendem Konsum. Schnellere Autos und andere Männerspielzeuge, häufige Urlaube und Luxus verknüpfte ich mit der Rationalisierung, mir kompensatorisch etwas Gutes zu gönnen. Arbeiten bis zum Rand der Erschöpfung, anschließend das verdiente Geld wieder für einen tollen Urlaub ausgeben, um danach weiter zu ackern, bis spät in die Nacht, ohne freie Wochenenden. Das sollte es gewesen sein? Das also gab sich als die Freiheit, als das Emanzipationsversprechen, die Befreiung, die ich anderen Menschen vermitteln wollte? Wie verlogen war das denn?

Dazu traten, wie ich es aus frühester Jugend kannte, meine politischen und gesellschaftlichen Ambitionen. Überall musste ich dabei sein, mitmischen. Statt Parteipolitik trat Berufspolitik in den Vordergrund: EABP, Forum, Wilhelm-Reich-Gesellschaft, Kongresse, Gaststrainer-Workshops, nicht zu vergessen die publizistische Tätigkeit mit meiner eigenen Zeitschrift »Ströme-Rundbrief für Reichianischer Körperarbeit« und in dem Wilhelm-Reich-Periodikum »Emotion« und dazu noch mein eigener Verlag.

Gedankenkonstrukte und ihre Veräußerung in Wort und Sprache bildeten ein Zentrum meiner Identität. Je mehr ich arbeitete, desto auffälliger wuchs die Neigung, in Konzepten und Interpretationen, die ich mir zurechtgelegt hatte, einen Halt zu finden. Mein Terminkalender plusterte sich auf, ich zog eine perverse Befriedigung daraus. Zehntausende Kilometer jedes Jahr verbrachte ich auf der Autobahn, unterwegs zum nächsten Termin, so besonders fühlte ich mich. Was unterschied mich von einem Versicherungsvertreter, der besessen beruhigende Policen an überängstliche Zeitgenossen verkaufte und atemlos dem Geld hinterherhechelte?

(Fortsetzung folgt)

Sonntag, 14. Januar 2018

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (227): Die Blockierung frühkindlicher Entspanungszustände als Basis für Bindungsstörungen


foto: pixabay
Bei der karthartischen Ausdrucksarbeit, also der klassischen Körpertherapie auf hohem Erregungsniveau, besteht die Funktion des Therapeuten u. a. darin, die emotionalen Impulse, die beim Klienten zum Ausdruck drängen, zu unterstützen. Dies geschieht organismisch, indem er körperlich-energetisch mitschwingt (»vegetative Identifikation« bei Reich, »affect atunement« bei Daniel Stern). Dies geschieht sowohl körpersprachlich als auch verbal. Ersteres richtet sich an die präverbale Präsenz des Kindes, letzteres an die kognitive Ebene. Indem der Körpertherapeut ermunternde oder katalytische Worte benutzt (»ja, genau, drücke es vollständig aus, komme ganz heraus damit, gib alles usw.«). Damit setzt der Körpertherapeut den Kontrapunkt zu den blockierenden Botschaften der Eltern, die die emotionalen Impulse hemmten und auf diese Weise die charakterliche Identifizierung des Kindes mit der Hemmung bewirkten.

Wenn ein Mitschwingen, die sog. »vegetative Identifikation«, in der energetischen Erregungsphase eine zentrale Rolle spielt, könnte dies dann nicht ebenso auf die Entregungsprozessen zutreffen?

Hinweise gab es. Ich erinnere an die bereits erwähnten Phänomene der Gehirnwellenmuster in der perinatalen Entwicklung. Darüber hinaus existierte das Mysterium einer »postorgastischen Trance«, jenem tranceartigen Entspannungszustand nach dem Orgasmus, der häufig mit Gefühlen inneren Friedens und äußerer Bindung einhergeht das Phänomen trat ja nicht nur in der erwachsenen Sexualität auf, sondern ließ sich bereits beim »oralen Orgasmus« des Säuglings und nach dem Stillen beobachten.

Alle Fäden liefen in der Hypothese zusammen: Chronische Blockierung von Entspannungszuständen beim Säugling bildet die Basis für die Bindungsstörungen der ersten Lebensmonate. Pulsationszustände von Aktivität und Ruhe, von Erregung und Entregung, schaffen einen Energieausgleich, eine energetische »Harmonie« (Mesmer). Beeinträchtigungen dieser Pulsation in Richtung Entregung, verursacht durch soziokulturelle Entwicklungen, stehen mit der Zunahme von Bindungsstörungen in Zusammenhang. Die Erweiterung der Körpertherapie um den Bereich energetischer Entregung eröffnet einen Weg, Bindungsdefizite zu beeinflussen.

Allerdings führte diese Hypothese zu einer entscheidenden Fragestellung: Spielte es dabei eine Rolle, ob eine Tiefenentspannung ein einzelner Vorgang auf Seiten des Klienten oder eine gemeinsame, eine verbundene, eine Bindungserfahrung darstellte?

Falls dies der Fall sein sollte, galt es allerdings ein Hemmnis zu überwinden, nämlich die Definition und das Selbstverständnis der Therapeutenrolle. Beide bedurften einer Neubestimmung.

Aus der Tradition von Schulmedizin und Psychoanalyse stammt die Haltung, dass der Therapeut beobachtet, aber auch steuert und letztlich kontrolliert, was in Sitzung Platz hat und was nicht. Dies gilt für die Begegnung als solche und insbesondere für die regressiven Zustände des Klienten. Beides bedürfte einer Korrektur. Die Herausforderung bestand darin, im energetischen Kontakt auch Trancezustände zuzulassen. Es verändert die tradierte Rollendefinition des Therapeuten grundlegend, wenn der Körpertherapeut in gemeinsame Tranceerfahrungen mit dem Klienten abgleitet, nicht mehr die steuernde, kontrollierende Instanz darstellt.

Im Grunde verwies all dies auf eine Transformation der therapeutischen Grundhaltung. Es galt, ein tradiertes patriarchalisches Modell, das vom Ego-Verstand her agiert, zu korrigieren und zu erweitern mithilfe rezeptiver Bindungs-Qualitäten, die den intuitiven Ressourcen des Menschen entstammen.

Hier stand nicht mehr der (phallische) Therapeut als Macher, als Diagnostiker und Techniker im Fokus. Gefordert war ein hingebungsfähiger Mensch, der sich den Geheimnissen des Seins öffnet und seine intuitiven und liebevollen Qualitäten einzubringen in der Lage ist. Nicht die Rolle des Therapeuten, seine männliche oder väterliche Seite, die sich in der Welt dort draußen auskennt und sich dort sicher zu bewegen weiß, war gefordert. Sondern vielmehr die weiblichen und mütterlichen Qualitäten, die sich in der Welt von Intimität und Bindung, Einfühlung und Kontakt zuhause fühlt.

(Fortsetzung folgt)

Donnerstag, 11. Januar 2018

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (226): Das Geheimnis von Rhythmus und Trance

Foto: pixabay
 Ich hatte das Glück, einen alten österreichischen Magnetiseur kennenzulernen, der offenbar noch Techniken dieser Mesmerschen Interventionen aus Überlieferungen von Magnetiseuren kannte. Es handelte sich um rhythmische, teilweise spiralförmige Bewegungsmuster, die in der Aura, dem Energiefeld des Körpers, ausgeführt werden. Die Spiralform wiederum korrespondierte mit jenen Modellen, die sich in der asiatischen Chakrenlehre finden. Die magnetischen Striche konnten, je nach Implikation, entweder sympathisch-kathartische oder parasysmpathisch-tranceähnliche Reaktionsmuster im Organismus auslösen.

In der Orgontherapie hatte ich gelernt, dass das Streichen in der Aura von oben nach unten harmonisierend-entspannende, von unten nach oben hingegen aufladend-erregende Wirkung zeitigt. Der alte Magnetiseur zeigte mir zusätzlich Techniken, die gezielt in Bereiche der Aura und des Körper eingesetzt werden können.

In einem Buch von Ernest Rossi, einem Schüler Milton Ericksons, stieß ich auf den Hinweis, dass es Trancezyklen gibt, die ca. 20 Minuten andauerten. Das stimmte mit meinen eigenen Beobachtungen und den Ergebnissen der Interviews überein, die ich, für die Recherchen des Säugling-Artikels mit stillenden Müttern gemacht hatte.

Hinweise fand ich bei Felicitas Goodman, die das Trancephänomen von einer kulturanthropologischen Perspektive aus erforscht hatte. Sie verwies auf den Zusammenhang von Rhythmus und Trance, den sie bei ihren Studien der Rituale indigener Völker und Kulturen, von Schamanen und Heilern, vorfand.

Beim Dhikr (ein ekstatisches Ritual der Sufis, in dem die Teilnehmer im Kreis mit Atemtechniken und rhythmischen Lauten der Kontakt zu Gott gesucht wird) der Sufis oder schamanistischen Ritualen, an denen ich teilnahm, spielte ein sich steigernder Trommelrhythmus die entscheidende Rolle.

Plötzlich verstand ich: Auch bei den Mesmerschen Strichen und in der hypnotischen Tranceinduktion gab es Rhythmen. Bei der »Unwinding«-Technik der Cranio-sacralen Therapie, die bei mir selbst Trancezustände ausgelöst hatte, zeigte sich ein (wenn auch relativ langsamer) Rhythmus.

War alles Rhythmus, Pulsation? Repräsentierten Einstimmung auf und Hingabe an den jeweiligen Rhythmus die Tür, um in andere Bewusstseinszustände einzutreten? Gab es einen Zusammenhang zwischen der rhythmischen Frequenz und dem Erregungszustand einer Trance? Repräsentierten die ekstatisch-kathartischen Zustände wie z. B. im Dhikr nur die eine, die tiefenentspannten schlafähnlichen Trance-Stadien eine andere Polarität?

Beeinflusste die Taktfrequenz des jeweiligen Rhythmus die Polaritäten Trance-Somnambulismus oder Trance-Ekstase? Bedeuteten diese Zusammenhänge, dass neben der emotionalen Ausdrucksarbeit noch eine andere, nach innen weisende Polarität existierte, in der nicht die Erregung, sondern die Entregung im Vordergrund stand?

(Fortsetzung folgt)


Sonntag, 7. Januar 2018

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (225): Franz-Anton Mesmer, Urvater der energetischen Körpertherapien


Franz-Anton Mesmer (1734–1815)

Fast alle Klienten fühlten sich durch wiederholte Trance-und Halterfahrungen stabiler und lebendiger. Sie berichteten, dass sie sich in sich ruhend und innerlich zufriedener wahrnahmen. In der Beziehung zu mir wuchsen die Anzeichen positiver Übertragung und Bindung.

Weitere Fragen stellten sich: Ließen sich Seinshalt und Trancezustände, die wohltuend, entspannend und seelisch stabilisierend wirkten, bei allen Menschen in Gang setzen? Repräsentierten sie Regressionsmuster in prä- und perinatalen Entwicklungsstadien, die somit in allen Menschen anklingen konnten? Fanden sich hier Selbstheilungskräfte, die etwas auszubalancieren vermochten, was in früher Kindheit unbeantwortet blieb und zu neurotischen oder körperseelischen Symptomen geführt hatte? Konnten Trance und Seinshalt, werden sie körpertherapeutisch genutzt, aufgrund dieser Selbstheilungskräfte jene Persönlichkeitsmuster aus den frühen Entwicklungsphasen zu korrigieren?

Ich befasste mich eingehender mit dem Phänomen der Trance, studierte Modelle und Anwendungen. Am Anfang stand Franz-Anton Mesmer und sein »magnetischer Schlaf«, der Weg führte über die Hypnose und die Hypnotherapie Milton Ericksons bis zur soziokulturellen Tranceforscherin Felicitas Goodman. Franz-Anton Mesmer und sein »animalischer Magnetismus« (Mesmer (1734–1815) lebte in einer Epoche, in der Elektrizität und Magnetismus die Menschen beeindruckte. In Abgrenzung zum »mineralischen Magnetismus« nannte er seine körpertherapeutische Herangehensweise den »animalischen« oder »tierischen« Magnetismus.) faszinierten mich.

In der Staatsbibliothek in Berlin studierte ich über ein Jahr lang Mesmers Schriften und ein Konvolut von Sekundärliteratur. Ich stieß auf eine Bibliographie zum animalischen Magnetismus aus dem Jahr 1800, welche erstaunliche 1.000 Buchtitel listete. Ohne Frage zeigten die Recherchen, dass der heute fast vergessene Mesmer nicht nur als Entdecker des »animalischen Magnetismus« und des sog. »somnambulen Schlafes« firmierte, wie man die Trancezustände im 19. Jahrhundert nannte. Mesmer muss auch als Urvater aller energetischen Körpertherapien gelten. Er zeigte ein tiefes Verständnis der Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten der kosmischen Lebensenergie, dessen Weisheit heute noch berührt und modern erscheint, trotz der altertümlichen Sprache.

Nur, die Wissenschaftler, Biografen und Verfasser der Sekundärliteratur konnten eine solche Einschätzung seines Werkes nicht vornehmen, da es die bioenergetische Körpertherapie noch nicht gab und die Wissenschaft Vorstellungen einer kosmischen Lebensenergie bis heute ablehnt. Erst unsere Generation, in der Nachfolge von Reich, ist in der Lage, tiefer zu verstehen, was die Methode Mesmers darstellte: die Urform einer energetischen Körpertherapie.

Mesmer benutzte für seine therapeutische Arbeit die sog. »Mesmerschen Striche«, Bewegungsabläufe der Hände und Finger am Körper und in der Aura des Patienten. Diese energetischen Interventionstechniken verkürzten Schüler und Nachfolger zu einer reinen Suggestivtechnik, aus der später die Hypnose hervorging. Wissenschaftshistorisch formte sich über den Schotten James Braid aus den Mesmerschen Strichen die Technik der hypnotischen Tranceinduktion. Braid machte die sog. wissenschaftliche Hypnose populär, die später über Charcot zu Freud führte. (Bekanntlich begann Freud seine psychotherapeutische Praxis als Hypnotiseur, bevor er mit Breuer die sog. kathartische Methode begründete und erst danach die Psychoanalyse in die Welt setzte.)

(Fortsetzung folgt)


Donnerstag, 4. Januar 2018

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (224): Was mache ich, wenn ich nichts mache?

Foto: pixabay


Körpertherapien in der Traditionslinie von Wilhelm Reich lassen Interventionen auf der Rückseite des Körpers häufig außer Acht. Der Klient liegt in der Grundposition auf dem Rücken, entsprechend muten Eingriffe dort eher mühselig an. Deshalb veränderte ich das traditionelle Setting und wies die Klientin an, sich auf die Seite zu legen und mir dabei den Rücken zuzuwenden. Das ermöglichte eine Haltearbeit auf der Rückseite des Körpers (»Rückhalt«), ein Fokus, der bis heute ein zentrales Element des Seinshalts und der seinsorientierten Transformation repräsentiert.

Viel später erst verstand ich, weshalb diese Arbeit im Rücken in der Seitenlage derartig wirkungsvoll ist: Sie bildet die Grundlage für die pränatalen Zellerinnerungen jener Entwicklungsphase, in der der Fötus den direkten Kontakt und Halt der Gebärmutterwand in seinem Rücken erlebt.

Ich begann, die Methode des Seinshalts bei weiteren ausgesuchten Klienten anzuwenden. Zunächst praktizierte ich sie als punktuelle Ergänzung zur traditionellen Herangehensweise. Eine verblüffende Beobachtung rückte in mein Blickfeld: Wenn Muskeln oder Muskelgruppen über längere Zeit (10–20 Minuten) Seinshalt erfahren, verändert sich ihr Tonus. Die Muskulatur entspannt sich, beginnt zu pulsieren, selbst dann, wenn sie sich anfangs in der Berührung hypertonisch, kalt, hart und starr anfühlte. Eine weitere Erkenntnis bestand darin, dass offenbar jede Art von Seinshalt den Organismus tief entspannte, so dass er über kurz oder lang ein naturwüchsiger Trancezustand ausgelöste.

Ein grundlegendes Problem kristallisierte sich jedoch bald heraus: Die Vorstellung, dass »nichts« passierte, man keine Körper»arbeit« machte, der Therapeut kein Aktivitätsfeuerwerk abbrannte, irritierte zutiefst. All die verinnerlichten kulturellen Erwartungsmuster, die besagen, je mehr und intensiver gearbeitet wird, desto kürzer erweist sich der Weg zu Erlösung (»sich regen bringt Segen«), liefen ins Leere. Das konnte nicht nur deutliche Irritationen, sondern sogar Widerstände auslösen, die anfangs in einigen Fällen zum Abbruch des Prozesses führten. Auch bei mir meldete sich der Ego-Verstand mit Zweifeln: »Was mache ich hier eigentlich, wenn ich nichts mache! Werde ich jetzt für’s Nichts-Tun bezahlt?«

Die Rezeptivität, die zum Vorschein trat, stand im Gegensatz zur Tradition einer therapeutenzentrierten Arbeit. Denn hier herrscht das Gegensatzpaar einer Aktivität des Therapeuten und einer Passivität des Klienten. Ein polarisiertes, hierarchisches Beziehungsmodell musste ersetzt werden durch eines, in dem Zusammenfließen, Verbundensein und punktuelles Verschmelzen seinen berechtigten Raum besitzt. Dies galt zumindest auf der Ebene des energetischen Seinszustands.

Ich gewöhnte mir an, diese tief verwurzelten Vor-Urteile mit meinen Klienten ausführlich zu besprechen. Es ging darum, den Abwehrmustern entgegenzuwirken und die kognitive Erlaubnis für diese andersartigen Erfahrungen zu erwirken. Der analytische Verstand erwies sich dabei als Hemmnis, mein eigener und diejenigen meiner Klienten.

Die Identifizierung der Persönlichkeit mit dem Denken und den Gedanken ließ erahnen, dass unkonventionelle Wege, die den kulturellen Grundannahmen widersprechen, es erschweren, Erfahrungen zuzulassen und zu integrieren, sofern Widerstände nicht durchgearbeitet werden. Das Witzige lag ja darin, dass das, was vorher als »Widerstand« erschien, sich nun als des Pudels Kern darstellte. Dabei wurde deutlich, dass ein viel tieferer und umfänglicher Widerstandsmechanismus auf der Ebene des Ego-Verstands, seiner Denk- und Überzeugungsmuster zu diagnostizieren ist. 

All dies lieferte ernsthafte Hinweise auf die Begrenzungen der Körper- und Psychotherapie, ihrer blinden Flecken als Produkt und Teil der Kultur, welcher sie entsprangen. Diese Aspekte werden uns in einem späteren Abschnitt noch ausführlich beschäftigen (siehe "Sein oder Machen")

(Fortsetzung folgt)