Dienstag, 30. November 2010

Die peinliche Wahrheit oder: “Was die Meister des Verblümens wirklich denken”

Die Welt der veröffentlichten Meinung im Aufruhr! Seit kurzem gibt es nur noch ein Thema: WikiLeaks Enthüllungen über das, was die amerikanischen Diplomaten wirklich denken. Was uns ja schon immer interessiert hat. Fällt so in die Kategorie “Was Frauen/Männer wirklich denken – aber sich nie zu sagen trauen …”
In der Presse kursiert vor allem ein Begriff “Peinlichkeit”. Was ist daran peinlich? Ist die Wahrheit peinlich? Das Nähkästchen, aus dem geplaudert wurde?
Es erinnert an das, was ein eines Kind erlebt, wenn eser Oma zum Beispiel sagt “du bist aber eine alte Schachtel mit deinen vielen Falten im Gesicht …” Oft genug wird das Kind dafür beschämt, lernt, dass es falsch ist, die Wahrheit zu sagen – und lernt allmählich “diplomatisch” zu sein, die Wahrheit nicht auszusprechen, sondern für sich zu behalten. So werden wir doch eigentlich alle irgendwie Diplomaten, oder? Nur die ohne Frack und Ordenslametta.
by fruchtzwergin, Photobucket
Diplomaten sind wir doch alle, haben doch alle gelernt, diplomatisch unsere persönliche Wahrheit zu verbergen, wo es notwendig ist: in manchen Beziehungen, am Arbeitsplatz, in der Öffentlichkeit. Nur privat, mit vertrauten Menschen oder am Stammtisch, da ziehen wir dann richtig vom Leder und sagen die Wahrheit “unverblümt”. Die peinliche “unverblümte” Wahrheit.
Nun wissen ja, Diplomaten sind diejenigen, die Meister des “Verblümens”, die besten “Verblümer” finden sich in der diplomatischen Karriereleiter ganz oben.
Dass nun ihre Wahrheiten, dass, was sie wirklich denken, ruchbar geworden ist, das ist doch herzallerliebst, oder. Denn wir lernen daraus, dass selbst die Oberliga der “Verblümer” noch eine persönliche Wahrheit hinter der perfekten Maske besitzen, manchmal sogar wohl auch eine persönliche Meinung. Das hat Charme und macht die Jungs und Mädels doch menschlich. Was soll der ganze Aufstand also?
Vielleicht fühlen sich die Damen und Herren Journalisten und Politiker, die jetzt von Peinlichkeit sprechen, wie die kleinen Kinder, die sich für die Wahrheit “fremdschämen”. Also, werdet mal erwachsen!

Mittwoch, 10. November 2010

Eitelkeit pflegt die Qual wie ein Gärtner seine Lieblingsrosen

„Sind wir jung und lieben jung, dann ist unser Herz noch beweglich. Es hüpft vor Freude. Es springt uns aus dem Leibe. Die erste Liebe verzaubert uns selbst und die ganze Welt. Werden wir älter, bilden sich Kristalle im Herzen. Trauer, Schmerz, Verletzungen, all die ungeweinten Tränen erstarren zu Kristallen und lagern sich im Herzen ab. Erst sind es nur Ecken und Kanten, die starr und unbeweglich werden. Bald ist es das ganze Herz, das erstarrt zu Eis, wird kalt, eiskalt. Leichenkalt.“

„Brrh. Das erinnert mich an ein Märchen, was du erzählst. Aber bleiben nicht nach jeder Liebesbeziehung Spuren von Schmerz und Trauer in uns?“, fragte S. ungläubig.

„Dann, wenn wir nach dem Trauern nicht verzeihen. Dem, den wir einmal geliebt haben und vor allem uns selbst. Das ist das Schwerste. Das Verzeihen. Die alten Wunden werden zu Schutzschildern, die wir hochheben, sobald ein Herz uns näher kommt. Wir heben die Wunde ganz hoch, als ob wir rufen wollten: „Hey, komme mir nicht zu nah. Schau, was die vor dir mir angetan haben. Meine Wunde ist die schrecklichste der ganzen Welt!“

By DreamerGirlLAC177
„Zu verzeihen ist wirklich schwer. Ich kann das überhaupt nicht. Ich vergesse nicht. Denn mein ist die Rache. Wie geht das, Verzeihen? Der Gedanke allein hilft ja wohl nicht.“

„Verzeihen heisst loslassen, sich hingeben. Hingabe an die Wirklichkeit, wie sie ist, nicht wie der Stolz sie haben will. Der Stolz, die Eitelkeit, das Ego, dieser Großinquisitor der Seele, schreit Rache, Vergeltung. Ist der, der nie verzeihen kann. Es ist die Eitelkeit, die nicht verzeiht. Es ist das Ego, und es glaubt gerecht zu sein. - Sie pflegt die eigene Qual wie ein Gärtner seine Lieblingsrosen.“

Freitag, 5. November 2010

Die Spaziergängerin: Abschied

Einfühlsame Abschiedsworte hat die Spaziergängerin für die Autorin Bärbel Mohr gefunden: "Ja zur eigenen Schöpferkraft zu sagen, ist ein mutiger Schritt. Gerade in unserer Gesellschaft, wo doch alles reguliert, abgesichert, per Gesetz geregelt und von Kirchen dogmatisiert wird. Wie kann ich da als kleines Licht auf den abgedrehten Gedanken kommen, ich hätte mein Leben selbst im Griff. Mehr noch - durch meine Gedanken bestimme ich meine Wirklichkeit. Das geht ja nun wirklich nicht.
"Doch das geht!", sagte Bärbel Mohr."

Donnerstag, 4. November 2010

Aufstieg zur höchsten Geschwätzigkeit

Kürzlich ging die Meldung durch den Äther, dass der Mount Everest endlich für die Errungenschaften der modernen Kommunikation erschlossen worden ist. In rund 5200 Metern Höhe in der Nähe des Basislagers, erfreuen die zukünftigen Everest-Bezwinger jetzt Sendemasten, die Handytelefonie und Internetzugang auf dem höchsten Berg der Welt ermöglichen.
By jprocksyours
Damit wird auch dem letzten Weichei auf der Welt klar, dass die Ausrede “Mount Everest besteigen? Geht nicht, da bin ich nicht erreichbar!” nicht mehr gilt. Und wie im überall sonst auf der Welt werden die künftigen Mount-Everest-Bezwinger in der Stille des Aufstiegs zum höchsten Berg der Welt wohl solche Dialoge über sich ergehen lassen: “Wo ich gerade bin? Ich bin gerade beim Aufstieg auf dem Mount Everest. Ah, da fällt einer gerade in die Gletscherspalte. Nicht angeschnallt, der Arme. Und du? Was machst du so?”
Und, da es jetzt auch einen Internetzugang gibt, wird uns Ähnliches auch in schriftlicher Form bei Twitter, Facebook & Co. beglücken. Die Orte der Stille werden knapp auf dieser Welt, werte Leser!

Montag, 1. November 2010

Eine sehenswerte Enttäuschung, 2. Teil

Ich schaute mir den Film zusammen mit einer Freundin an, die selbst einige Jahre der Sannyasinbewegung angehörte und Osho und den Ashram in Poona noch aus eigener Anschauung kannte. Sie reagierte ähnlich emotional auf den Film wie ich selbst, allerdings auf unterschiedlichem Hintergrund. Für sie war der Film eindeutig ein “Hetzfilm”, ich selbst war eher verärgert über die Oberflächlichkeit des Films, der mehr Fragen aufwirft als Antworten zu geben. Wie kann man einen solchen Film drehen, der im Grunde ohne erkennbaren roten Faden Anekdoten aneinander reiht und im übrigen den Zuschauer seiner Ratlosigkeit überlässt. 
Ich bin nicht deiner Meinung, dass dieser Film ein „Hetzfilm“ ist, er ist noch nicht einmal das. Denn das würde ja bedeuten, dass er eine Position vertritt. Tut er aber nach meinem Eindruck überhaupt nicht. Seine Positionierung besteht darin, dass er zwei Zeitzeugen zu Worte kommen lässt, scheinbar willkürlich, obwohl es sicher noch viele Dutzende aus dem inneren Kreis gibt, die etwas über Osho zu sagen hätten. Warum so? Warum diese beiden?
Bhagwan mit Sheela Birnstiel in den 70ern
Was ich an dem Film kritisiere, ist, dass die sozialen Dimensionen der dargestellten Entwicklungen kaum reflektiert werden, also das Phänomen der „Verkirchung“ und Erstarrung der an sich anarchischen und weitgehend undogmatischen spirituellen Lehre Oshos. Wieso konnte das geschehen, wo Oshos Lehre doch so frei, anarchistisch und beweglich war? Das wäre eine interessante Frage gewesen in meinen Augen!
Die von Anhängern Oshos vertretene Vermutung, dass Tragödie von Oregon so etwas wie ein „Meisterspielchen“ war, ist eine charmante apologetische Idee. Hat jemand irgendetwas aus diesem Spiel gelernt? Denn nur dann macht ein solches Spiel Sinn, wenn es weiterbringt, lehrt, transformiert, und zwar massenhaft, wenn es einen Quantensprung an Erkenntnis nach sich zöge. Von einem solchen Quantensprung habe ich aber leider nichts mitbekommen.
Oshos Genie bestand meines Erachtens darin, dass er der erste mir bekannte Guru war, der frühzeitig, bereits in den 70er Jahren, die modernen Medien (zunächst Audio-, später auch Videokassetten) bewusst als Multiplikatoren seiner Lehren eingesetzt hat. Damit hat Bhagwan sehr früh und radikal die traditionell  persönliche Beziehung zwischen spirituellem Lehrer und seinen Schülern auf eine globalisierte Stufe gehoben, die nicht mehr auf dieser persönlichen Bindung basiert. Dass damit natürlich auch einige signifikante Schatten einhergehen, liegt auf der Hand (z.B. hat ein Guru, der seine Schüler nicht mehr persönlich kennt, auch keinerlei Rückmeldung mehr über die Wirkung seiner Lehre in der Person des einzelnen Schülers).
Diese und solche interessante Fragen berührt der Film kaum, genauso wenig wie, und das ist die größte Enttäuschung dieses Films, die radikale und anarchische spirituelle Lehre Bhagwans nicht einmal ansatzweise in diesem Film skizziert wurde . Somit bleibt völlig offen, wieso Hunderttausende Menschen oder mehr auf der Welt noch immer strahlende Augen bekommen, wenn sein Name fällt. Halt nicht die Augen einer Sheela, aus denen inzwischen jeder Glanz gewichen ist.