Samstag, 25. Februar 2017

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (153): Tiefentrance, Vertrauen und Bindung

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Die verbundene Tiefentrance, also die gemeinsame und tiefe Entspannung von Klient und Therapeut  in der Körpertherapie, entspricht der biologischen Matrix des Säuglings in der prä- und postnatalen Entwicklung. Sie schließt einen Kreis, der häufig offengeblieben ist, weil die Erfahrung verbundener Tiefentrance gerade in der postnalen Erfahrungswelt des Säuglings fehlte, wie wir oben ausführlich erörtert haben.

In der körpertherapeutischen verbundenen TiefeNtrance verändert sich der Atemrhythmus des Klienten in Richtung Entregung , d. h. die Atmung verflacht sich, wird teilweise arrhythmisch. Der Organismus fällt in tiefe Entspannung, Alpha-Wellen treten als typische Gehirnwellen auf, im Vegetativum werden wesentliche Merkmal des parasympathischen Zustands erkennbar.

Die Berührung des Körpertherapeuten reagiert auf subtilste organismische Botschaften in der Muskelpulsation enthüllt. Sie enthüllt sich als potentielle körpertherapeutische Zwiesprache jenseits der Schwelle des Bewusstseins.

Die Ströme der Herzcode-Informationen von Klienten zum Therapeuten und vom Therapeuten zum Klienten formieren sich in dem Maße, wie die tranceartigen Bewusstseinszustände auf beiden Seiten sich zu einem gemeinsamen Seinszustand verbinden.

Das, was im Seins-Halt über diese Schwelle in die Wahrnehmung rücken kann, ist die sanfte Pulsation der Atembewegung, der Darmperistaltik, des Herzschlags oder der cranio-sacralen Pulsation. Dieser rhythmische Aspekt des Halts wird häufig erst durch die Dauer der Berührung wahrnehmbar, und zwar sowohl auf Seiten des berührenden Therapeuten als auch auf Seiten des berührten Klienten. Das andere Element, die energetische Information, ist ein Bestandteil der Herzcode-Informationen, die auf der zellulären Ebene übertragen werden und das Zellgedächtnis des Klienten ansprechen.

Es ist naheliegend, dass die Fähigkeit des Klienten, gleichzeitig Berührung anzunehmen und in Trance zu gehen, ein gewisses Maß an (Ur-)Vertrauen, oder mit Freud gesprochen, an »unanstößlicher Übertragung« benötigt. Niemand wird die Kontrolle des Bewusstseins aufgeben, der nicht ein Stück dieses Urvertrauens in sich mobilisieren kann. Berührung in dieser Weise anzunehmen und gleichzeitig in einen veränderten Bewusstseinszustand einzutauchen, ist also immer auch ein Stück Öffnung des Herzens für Bindungsimpulse und Bindungserfahrungen.

Ob und wie weit ein Klient in der Lage ist, sich auf diesen Zustand einzulassen, ist nicht nur diagnostisch bedeutsam, sondern gibt auch deutliche Hinweise auf den Stand seines Transformationsprozesses insgesamt.

Es geschieht in der Praxis eher selten, dass ein Klient in der ersten Sitzung bereits in der Lage ist, tiefere Entregungszustände zuzulassen. In der Regel bedarf es einer 2-4-maligen Anwendung des Seins-Halts, bis dies möglich wird.

(Fortsetzung folgt)

Donnerstag, 23. Februar 2017

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (152): Tiefenentspannung in der seinsorientierten Körpertherapie

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Wie ich ausgeführt habe, handelt es sich bei den frühkindlichen Impulsen zur Tiefenentspannung im Kontakt es um ein fundamentales bio-emotionales Bedürfnis.

Welche Folgerungen ergeben sich dadurch für die körpertherapeutische Arbeit?

Zunächst erscheint es mir von zentraler Bedeutung zu sein, ob ein Körpertherapeut in der Lage ist, mit seinem Klienten in diese tiefen Trance- und Entspannungszustände einzutauchen. Die Hingabe an Verschmelzungserfahrungen in Verbindung mit einem anderen Menschen ist eine völlig andere Erfahrung, als diesen Zustand allein zu erleben. Sie schließt den Kreis eines bio-emotionalen Grundbedürfnisses, das, wie wir gesehen haben, in der frühen Mutter-Kind-Beziehung unbeantwortet blieb.

Der Säugling musste auf dieser Entwicklungsstufe bereits lernen, seine vegetative Wahrheit abzuspalten. Die Individualisierung des Kindes beginnt mit dem Paukenschlag einer Beziehungsverweigerung in der Säuglingsphase. Die Verleugnung der körperseelischen Wirklichkeit wird Fundament für Selbstbeziehungs- und Bindungsdefizite.

In der seinsorientierten Körpertherapie kann dieser tiefe Kontakt, zunächst generell mit den Zuständen von Entregung, lustvoller Entspannung und Trance reaktualisiert und schließlich in der verbundenen Trance energetisch revitalisiert werden.

Dieser Zustand, der auf einer unsichtbaren Ebene die Verbindung und den Austausch von Herzcode-Informationen ermöglicht, stellt ein Zustand tiefster und subtilster Bindungserfahrung dar. Als Erwachsene kennen wir ähnliche Erlebnisse in postorganistischen Trancezuständen, die ebenfalls eine eindrückliche Erfahrung auf der Entregungsebene darstellen.

In der postorgastischen Trance findet sich ein Erfahrungsraum, der von tiefen Gefühlen von Liebe und Verbundenheit zum Partner geprägt sein kann. Die postorgastische Trance stellt die prägende Bindungserfahrung im Bereich der erwachsenen Sexualität dar, bzw. seine Vermeidung kann ein wichtiger Hinweis auf eine Bindungsstörung darstellen. Der Austausch von Herzcode-Informationen geht ein her mit dem hohen Level an Bindungshormonen (Oxytocin und Prolaktin), die mit dem Orgasmus ausgeschüttet und in der postorgastischen Phase ihre Wirkung ausüben.

(Fortsetzung folgt)

Montag, 20. Februar 2017

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (151): Liebe als Tauschgeschäft

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Denn die falsche Welt gilt längst als richtig in der Welt der Erwachsenen. Die Beziehungsangebote der Mutter (und selbstverständlich auch die des Vaters) zeigen sich von den eigenen Selbstbeziehungsdefiziten geprägt: Ihr Umgang mit dem lebendigen Wesen des Kindes wird gesteuert von Konzepten und Kategorisierungen, von Urteilen und Leistungsdenken, von narzisstischen Aufwertungsbedürfnissen und dem phantasierten Blick des Anderen.

Die intuitiven und gefühlsmäßigen Ressourcen, das instinktive Wissen, Achtsamkeit und Stimme des Herzens, all die tiefen Gefühle, sie verlieren unter der Knute gehirndominierten Bindungsverhaltens. Sie verändern schlussendlich die Natur des Kindes: Es lernt, diejenigen Elemente seiner Natur in sich zu verleugnen, die in diesem Beziehungsmodell keine Resonanz erfahren.
  
So entsteht ein Phänomen, das wir (kulturelle) Tradition nennen. Eine Tradition, die sich auf allen Stufenleitern der Gesellschaft widerspiegelt. Eines der Fundamente dieser Tradition findet sich in der  ständigen Übererregung und der tiefgehenden Entspannungsunfähigkeit unserer Kultur, die einher gehen mit der Hochmut, Ignoranz und Unkenntnis gegenüber allen Seinsaspekten des Lebens.

Die subtile Botschaft, die bereits dem jüngsten menschlichen Lebewesen in unserer Kultur vermittelt wird, lautet: „Du bist nur etwas wert, wenn du was machst, handelst, agierst, Erwartungen erfüllst, die an dich herangetragen werden. Du bist nichts, wenn du einfach nur bist oder sein willst.“

Was zunächst auf den archaischen Stufen der Entwicklung als rein organismische Information existiert, wird später zur durchgängigen charakterbildenden Botschaft: Liebe wird gewährt aufgrund von Erwartungserfüllung, einem von der Lebensumwelt formulierten Anspruch, aber nicht um des Seins, der Existenz eines Menschen willen. Diese charakterbildende Liebe will erarbeitet sein, sie ist unmittelbar mit der leistungsorientierten Dominanz des Gehirns verbunden. Sie verdeckt die Liebes- und Bindungsimpulse des Herzens, und das die Liebe als Selbst- und Welterfahrung verkümmert.

Was ist diese charakterbildende Liebe für eine Liebe? Ist sie eine Liebe, die mir ermöglicht, mich selbst anzunehmen und zu lieben, wie ich bin, den anderen anzunehmen und zu lieben, wie er ist, die Natur anzunehmen und zu lieben, wie sie ist?

Oder liegt hier nicht vielmehr die tiefe narzisstische Kränkung einer kranken Kultur verborgen, die in jedem Menschen aufscheint: Liebe als etwas erfahren zu haben, das nicht seinem eigentlichen Wesen, seinem Sein gilt, sondern nur im Tausch zu den Ansprüchen verkauft wird, die an ihn herangetragen werden. Dass dies kein Liebe ist, sondern nur ein entfremdetes Konzept von Liebe, "das weiß doch jedes Kind" ... aber kaum ein Erwachsener. Der hat es meist vergessen auf dem Weg des Erwachsenwerdens.

(Fortsetzung folgt)

Samstag, 18. Februar 2017

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (150): Wie die falsche Welt als richtig erlebt wird

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An dieser Stelle schließt sich eine naheliegende Frage an: Welche Folgen könnten sich daraus ergeben, wenn die Schwangere oder die stillende Mutter aufgrund durchgängiger innerer Unruhe nicht in der Lage ist, eine energetische Verbindung und Resonanz zum Fötus oder Neugeborenen aufzubauen?

Wenn eine Mutter Schwierigkeiten hat, ihrem Kind auf der Ebene eines „Nur-Da-Seins“ den biologisch erwarteten Halt zu bieten ... ohne in die Unruhe des Machens oder im Bewusstsein antizipierten Machens zu verfallen, ist das ein banaler Vorgang, dem keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss oder hinterlässt dies Spuren in der Beziehung oder im Kind selbst?

Was könnte es bewirken, wenn Foetus oder Neugeborenes jedes Mal, wenn sie in den Zustand seliger Trance zu gleiten versuchen, was ja ihre Natur in dieser Entwicklungsphase ist, wie wir oben ausgeführt haben, durch eine unruhige oder hektische Lebensumwelt daran gehindert wird?

Naheliegend ist, dass das Baby aus solchen natürlichen Entregungsphasen herausgerissen wird bzw. sie gar nicht erst erfahren kann. Die aus seiner „organismischen Wahrheit“ stammenden Impulse nach Tiefenentspannung werden von der Lebensumwelt blockiert. Das Baby bleibt isoliert in seiner Erfahrungswelt, ohne Resonanz, ohne liebende (Herz)Verbindung mit diesem Teil seiner Natur und seines Wesens. Es gibt kein Echo, keine Einstimmung, keinen Kontakt.

Das Baby mag protestieren, alarmiert sein, möglicherweise wütend, schreiend. Am Ende jedoch wird es die eigenen organismische Wahrheit in sich abspalten müssen. Je nach Intensität dieser Erfahrungen wird es verdrängen, resignieren und die ungestillte Sehnsucht nach Verschmelzung tief in seiner Seele vergraben. (Wohlgemerkt: Ich spreche hierbei nicht von punktuellen, sondern von durchgängigen, strukturellen und strukturgebenden Erfahrungen.)

Die Unfähigkeit des Säuglings, sich zu entspannen, zur Ruhe zu kommen und Entregungsprozesse (die ich als das Gegenteil der Erregungsprozesse ansehe) zuzulassen, tritt in extremer Form in Verbindung mit dem sog. Schreibabysyndrom auf. Hier zeigt sich das Baby in höchstem Maße alarmiert, was u. a. mit lang anhaltenden Schreianfällen, chronischen Schlaf- und Einschlafstörungen, organismischen Blockierungen und Kontaktstörungen einhergeht.

Bei diesem Syndrom zeigt sich das Phänomen, dass der Körper, welcher nicht ausreichend Halt erfährt, sich zwangsläufig selbst Halt in Gestalt von akuten Blockierungen auf der energetischen und muskulären Ebene verschafft. Dies basiert auf der Tatsache, dass die Mutter über die inneren Ressourcen verfügt, um ihrem Kind notwendigen Halt und Ruhe anzubieten, denn sie leidet unter innerer und äußerer Haltlosigkeit. [Diederichs 1999]

Die organismische Botschaft, die Konditionierung, die hier vermittelt wird, könnte aus der Sicht des Babys (und in der Sprache der Erwachsen) lauten: „Das Bedürfnis nach tiefer Entspannung ist eine einsame Erfahrung, die niemand mit mir teilt, nicht einmal meine Mutter. In dieser Einsamkeit verliere ich Verbindung, Verbindung zu ihr und Verbindung zu allem um mich herum. Dazu wirken dauernde Störungen, Lärm, Hektik, Unruhe. Sie machen es mir schwer, loszulassen, mich zu entspannen, in diese wohltuenden tranceartigen Zustände zu gehen, die ich doch eigentlich so sehr brauche.“

Derartige Bedürfnisse auf der Seinsebene werden als resonanz-, respekt- und (ver)bindungungslos erfahren. Sie werden als falsch erlebt. Und die falsche Welt am Ende als richtig.

(Fortsetzung folgt)

Mittwoch, 15. Februar 2017

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (149): Wenn die Bindungsimpulse des Herzens verkümmern ....

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Auf einer tieferen Ebene trägt diese Konfrontation des Säuglings mit der chronischen inneren Unruhe und Unfähigkeit zur Entspannung auf Seiten der Mutter zur Verleugnung der eigenen organismischen Wahrheit bei. Sie bildet den Anfangspunkt einer langen Kette von Anpassungen an eine kulturelle Lebensumwelt, in der nicht seine organismisch-energetische Wahrheit, sondern die (Fehl-)Interpretation, Domestizierung und Zivilisierung der inneren Natur des Kindes im Vordergrund steht. Die beliebig austauschbaren Konstrukte des Ego-Verstandes treten so ihre Herrschaft über seine bio-emotionalen Bedürfnisse und intuitiven Potentiale an.

Die Bindungsimpulse des Herzens verkümmern. Das Kind lernt, dass Erklärungen, Worte, Definitionen mehr bedeuten als seine innere Wahrheit. Das betrifft insbesondere das Gefühlsleben bzw. bestimmte Bereiche des Gefühlslebens, vor allem aber die Bindungs- und Verbindungsimpulse des Herzens. Das Kind lernt, sie zu verformen oder zu verleugnen, wenn sie keine Resonanz und Verbindung finden, bis sie schließlich ganz verstummen. So zivilisiert, will und soll es später, erwachsen geworden, lieben: Das Leben, den Partner, die eigenen Kinder.  

Ein weiterer, systemischer Faktor spielt eine wichtige Rolle. Wie bereits erwähnt, lassen sich die Herzcode-Informationen und Lebensenergie selbst als ubiquitär, d. h. als überall präsent betrachten. Es findet ein ständiger, unbewusster Austausch von Energie- und Herzcode-Informationen zwischen den Lebewesen statt. Auf diesem Hintergrund ist es naheliegend, dass die Herzcode-Informationen der unmittelbaren Lebensumwelt und der Familiengeschichte der werdenden Mutter auf Verlauf und Prägungen der Schwangerschaft Einfluss nehmen.

Eine Feststellung, die jedem, der auf diesem Feld arbeitet, durchaus vertraut ist. Auch für den Prozess der Persönlichkeitsbildung des Kindes wirken diese Einflüsse, die gesamte charakteranalytische Lehre in der Tradition Reichs gibt hierzu zahlreiche Hinweise. [Hierzu: Johnson 1990, Lowen 1992, Kurtz 1985, Baker 1980]

Darüber hinaus finden sich kulturspezifische und gesellschaftlich-soziale Faktoren, die in der jeweiligen Generation auf solche Entwicklungsprozesse Einfluss nehmen. Diese folgen in der Regel auf sozialhistorische Veränderungen im Arbeitsprozess folgen. Die enorm hohe Arbeitsintensität, die sich aktuell als Standard durchgesetzt hat, bildet Stressoren, die in der Persönlichkeit Spuren hinterlässt. Ein Mensch, der im Beruf stets auf Hochtouren laufen muss, tut sich schwer, die entsprechenden Spuren in seiner Körperseele auszuschalten, wenn er "Feierabend" hat.

So existieren zahlreiche Wirkkräfte, die in unserer Kultur auf Schwangerschaft und frühkindliche Entwicklung ausstrahlen und insbesondere für die Ausbreitung von Selbstbeziehungsdefiziten verantwortlich sind. Gehetzsein, die verbreitete Unfähigkeit zur Entspannung sind ein auffälliges gesamtgesellschaftliches Phänomen, dem viele Millionen Menschen mit Alkoholabusus, Schlaftabletten u. ä. begegnen.

Auf diesem Hintergrund gilt ein besonderes Augenmerk diesen zunehmenden Einschränkungen des mütterlichen und familiären Systems zu jener angemessenen Präsenz auf der Seinsebene, die der Körperseele des Neugeborenen angemessen ist.

(Fortsetzung folgt)