Donnerstag, 26. Mai 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (94): Die Augen eines Neugeborenen und die okulare Phase

Wilhelm Reich (1897-1957)

Wilhelm Reich hat die auf Freud basierenden psycho-sexuellen Entwicklungsphasen um ein wichtiges Element erweitert, nämlich um die sog. okulare Phase. Diese beginnt mit der Geburt, d. h. in jenem Augenblick, in dem das Neugeborene seine Augen zum ersten Mal für die Welt öffnet. Vieles deutet darauf hin, dass jedes Neugeborene gewissermaßen kurzsichtig auf die Welt kommt, sich das scharfe, beidäugige und räumliche Sehen erst in den darauf folgenden Lebenstagen und Wochen entwickelt und stabilisiert.

Die Sehfähigkeiten des Neugeborenen sind offensichtlich darauf ausgerichtet, den Kontakt mit dem Gesicht der Mutter und der Mutterbrust sicherzustellen. Meine Vermutung ist, dass mit der Trennung von der Nabelschnur die Augen genau diese Funktion übernehmen: Die Augen werden zur energetischen Nabelschnur, die das Neugeborene mit seiner Mutter und der unmittelbaren Umgebung verbinden.

Mit den ersten Blicken in die Lebensumwelt, in die er hineingeboren wird, werden die ersten Prägungen durch die Welt auf die tabula rasa der Augen-Gehirn-Verbindung des Säuglings geschrieben. Empfängt ihn diese Welt liebevoll, freudig, mit Achtsamkeit? Drücken die Augen der Mutter und der anderen Menschen, die seinem Blick zum ersten Male begegnen, dieses liebevolle Willkommen aus?

Wer in die Augen eines Neugeborenen geblickt hat, das nicht durch Medikamente oder traumatische Umstände in einer sanften Geburt auf die Welt kam, hat eine Ahnung von der Präsenz und Intensität dieses ersten Augenblicks, mit dem ein Neugeborenes in die Welt schaut. Es scheint, als finde ein Erkennen und Wiedererkennen gleichzeitig statt. Der Blick eines Neugeborenen kann von einer Offenheit und Präsenz sein, die sprachlos macht. Es ist der Blick des ungepanzerten Lebens, dem wir hier begegnen. Und der Blick des ungepanzerten Lebens ist ein Blick, ein Augenblick der reinen Liebe und der originären Bindung und Verbindung zu(m) anderen Menschen.

Es braucht nicht weiter ausgeführt zu werden, sich vorzustellen, was dieser erste Augenblick bedeutet, wenn das Neugeborene, noch narkotisiert, erschöpft von einer traumatischen Geburt oder in eine gestresste oder genervte Umgebung hineingeboren wird.

Da solche Geburten vor wenigen Jahrzehnten noch den Standard darstellten, kamen Entwicklungspsychologen wie Magret Mahler zu der Annahme, dass mit der Geburt eine sog. autistische Phase des Neugeborenen einsetze, die angeblich gekennzeichnet wäre durch autistische Kontaktlosigkeit zur Umwelt. Glücklicherweise konnte die moderne Säuglingsforschung der letzten Jahre solche Mythen ins Reich der Phantasie verweisen und man weiß heute, dass das Neugeborene von Geburt an ein soziales Wesen ist, das aktiv auf seine Umwelt Einfluss nimmt und mit ihr interagiert.

Die Augen und der Augenkontakt, also die okulare Phase und die dergestalt verlängerte Nabelschnur stehen im Mittelpunkt dieser Bindungsprozesse, des lebendigen Halts, in das ein Mensch hineingeboren wird.

(Fortsetzung folgt)

Montag, 23. Mai 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (93): Mütterlicher Halt


Sabine Grzimek: Mutter und Kind, Heilbronn, CC

Die Erfahrungen des Haltens und des Gehaltenwerdens sind für den nährenden Austausch von Herzcode-Informationen zwischen Mutter und Kind grundlegend. „Gehaltenwerden“ umfasst demnach mehr als den rein körperlichen Vorgang. In diesen Halterfahrungen finden wir die   oben erörterten bestimmenden Faktoren des Transformationsprozesses wieder:

  die gemeinsame energetische Einstimmung („Frequenz“ der Herzcode-Information –HCI-)
  das Berühren in Zuwendung („Objektausrichtung“ der HCI)
 den Gefühlsanklang, energetische Herzcode-Information („Information“ der HCI)

Hautkontakt, Augenkontakt, Herzcode-Information (HCI) und Halt sind die zentralen Elemente des frühen Körperkontakts, in diesem Fall des liebevollen Mutter-Kind-Kontakts oder Mutter-Kind-Bindung.

Wobei an dieser Stelle anzumerken wäre, dass die Definition „mütterlich“ nicht gleichbedeutend ist mit „weiblich“. „Mütterlich“ können genauso Männer oder ältere Kinder sein, wesentlich ist, dass diese die Qualitäten und Ressourcen von Mütterlichkeit in sich anklingen lassen und zum Ausdruck bringen.

Allerdings gibt es neben dem „mütterlichen Halt“ auch das Pendent eines „väterlichen Halts“ und auch hier gilt, dass diese Qualität nicht von vornherein geschlechtsgebunden ist. Doch zunächst zum
mütterlichen Halt. Dieser lässt sich wie folgt beschreiben:

  die Fähigkeit zu körperlicher und bio-emotionaler Nähe bis hin zu punktuellen Verschmelzungserfahrungen mit dem Säugling, z. B. gemeinsame Trancezustände nach dem Stillen.
  die Fähigkeit zu umfänglicher körperlicher und emotionaler Empathie („affect attunement“ [Stern 1998]), Einstimmung, Empfänglichkeit für bio-energetische Signale, die vom Säugling ausgehen.
– Physiologisch ist die Vorderseite des Körpers prägend für den mütterlichen Halt, indem sich in einer Umarmung z. B. Herz und Herz, Bauch und Bauch annähern oder berühren.

Die Vorderseite des Körpers repräsentiert im Gegensatz zur Rückseite die weichen, d. h. verletzlicheren und empfindsam-rezeptiven Aspekte des menschlichen Körpers. Die Umarmung selbst stellt dabei eine körperliche Intimitätserfahrung dar, die mit dem Gefühl von liebevoller Verbindung und Geborgenheit einhergeht.

Zwischen liebenden Erwachsenen bewegt sich in der Umarmung der energetische Strom der Liebe von Herz zu Herz und vom Herzen zu den Händen hin und verbindet sich auf der Rückseite des Körpers in Herzhöhe. In der Mütter-Kind-Dyade findet sich die Urform jeder Umarmung, wenn die Mutter ihr Kind in den Armen hält und an ihre Brust, zu ihrem Herzen führt.

(Fortsetzung folgt)
 

Mittwoch, 18. Mai 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (92): Das Phänomen des Halts


Es gibt ein Phänomen, das die oben erörterten Wirkkräfte in anschaulicher Weise zusammenführt und auf den Punkt bringt: Halt.

Der Halt, den ein Mensch in sich selbst findet (Selbsthalt), der Halt, der ihm seinen Lebensumwelt gibt (sozialer Halt) und schließlich der Halt, der ein Therapeut seinem Klienten in der Lage zu geben ist.

Die verschiedenen Aspekte des Halts erwuchsen so im Laufe der Jahre zur naheliegenden Antwort auf die Frage nach dem therapeutischen Agens; und ebenso zur Alternative für die therapeutische Attitüde des „Machens“ eingangs aufgeführten Sinne. Denn wenn Halt für die Entwicklung und das Sein des Menschen von grundlegender Bedeutung ist, wäre es doch naheliegend, diesem in seinen therapeutischen und transformatorischen Entwicklungsprozessen angemessenen Raum zu geben. Dies ist der Grundgedanke der "seinsorientierten Haltearbeit", auf die ich noch ausführlich zu sprechen kommen werde.

Halt beschreibt nicht nur die Erfahrung „gehalten zu werden“ und die Wahrnehmung „gehalten zu sein“, Halt beschreibt ebenso den grundlegenden physio-psychischen Vorgang von Geborgenheit, Bindung und Liebe, eine prägende Erfahrung, die weit in die Entwicklung des Einzelnen, in die Ontogenese und in die pränatale Phase zurück reicht und dort ein Paradigma für das seelische und organismische Wohlbefinden ist.

Der Psychoanalytiker Winnicott hat diese Verbindung zwischen Halt und Geborgenheit für die Tiefenpsychologie erschlossen:

„Manchmal bedeutet Geborgenheit einfach, gut gehalten zu werden. Sowohl physisch als auch in subtilerer Weise hält die Mutter (die Umwelt) den Säugling zusammen, und Unintegriertheit kann wie Reintegration auftreten, ohne dass Angst entsteht.” (Winnicott 1984, S. 13)

Wir können davon ausgehen, dass die Erfahrung „gehalten zu werden“, Halt zu haben, für den „Tragling“ Mensch nicht nur eine soziale Basiserfahrung ist, welche existentielle Sicherheit vermittelt. Sie bildet auch einen wichtigen Faktor für menschliches Urvertrauen und das Phänomen der „unanstössigen Übertragung“ (Freud) sowie eine Vergewisserung der „primären Liebe“ (Balint).

(Fortsetzung folgt)

Freitag, 13. Mai 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (91): Die heilende Mutter und der heilende Vater


Auf die Frage nach den Wirkkräften im Therapeuten findet man mehrere verbreitete Annahmen. Diese beziehen sich auf Faktoren, welche die Qualität des Therapeuten und seiner Tätigkeit bestimmen:
  • Sein therapeutisches Know-how, sprich: die Methode(n), die Qualität und Dauer seiner Ausbildung,  seine akademischen und sonstigen Abschlüsse u. ä.
  •  Das Erfahrungspotential des Therapeuten: therapeutische Erfahrungen  und Lebenserfahrungen, sein Alter usw.
  • Seine besondere Persönlichkeit, sein Charisma, sein intuitives, energetisches Genie, etc.

Allen diesen Annahmen ist gemeinsam, dass sie den Therapeuten als Entität, also losgelöst und unabhängig vom Klienten, setzen.

Sie enthalten die – grandiose – Vorstellung, dass ein Therapeut, der bestimmte definierbare Voraussetzungen erfüllt, bei jedem x-beliebigen Klienten die adäquate therapeutische Effizienz aufweist. Jeder, der mit Menschen arbeitet, kann unschwer erkennen, wie praxis- und realitätsfern eine derartige Vorstellung ist. Es gibt keine statischen und eindeutig reproduzierbaren therapeutischen Techniken und Wirkkräfte, auch wenn das mechanistische Denken es noch so sehr wünscht.
Aber was ist es dann, was und weshalb ein Therapeut effizient ist?
Wenden wir uns also einer anderen Gruppe von Erklärungsmodellen für die dynamischen Wirkkräfte in der Person des Therapeuten zu.

  • Die  Kontakt- und Beziehungsfähigkeiten des Therapeuten sind entscheidend.
  •  Es sind seine Empathie, Sympathie, schlichtweg seine Liebesfähigkeit, die wirkt und heilt usw.
  • Es ist sein Einfühlungsvermögen für die Probleme bestimmter Menschen.

Dieser zweiten Gruppe von Erklärungsmodellen ist gemeinsam, dass sie den Therapeuten immer in Beziehung, in Beziehung mit dem Klienten betrachten und nicht als isolierte Persönlichkeit, die aus dem eigenen Genius tätig wird.

Man könnte als Zwischenergebnis also eine Aussage festhalten, die in gleicher Weise für alle sozialen Beziehungen von Menschen, also auch für die therapeutische Beziehung gilt: Ein Therapeut ist in seiner Tätigkeit so effizient, wie die von ihm gestaltete Beziehung zum Klienten lebendig und entwicklungsfördernd ist.

Die therapeutischen Ansätze, die auch die Vergangenheit, vornehmlich der Kindheit des Menschen mit einbeziehen, befassen sich mit den frühkindlichen Programmierungen, also mit  den Beziehungserfahrungen des Klienten in seiner Familie, insbesondere zu den Eltern. Auf diesem Hintergrund könnte man die entsprechenden therapeutischen und transformativen Prozesse auch als Prozesse korrigierender Beziehungserfahrungen mit dem Therapeuten definieren. 

Dies wiederum lässt den Schluss zu, dass in der Persönlichkeit des Therapeuten nicht nur eine gute, heilende Mutter und ein guter, heilender Vater gesucht wird, sondern auch gefunden werden sollte.

(Fortsetzung folgt)

Montag, 9. Mai 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (90): Wann ist eine Therapie effizient?

Jeder therapeutische Prozess, jeder Transformationsprozess, der die Seele des Menschen einschließt, zeigt sich uneindeutig, ambivalent. Er verweist auf Ambivalenzen in der Psyche des  Klienten.

Da ist einerseits sein Wunsch nach Veränderung, nach Wachstum, nach Heilung, nach Überwindung seiner Probleme und Symptome. Andererseits gibt es aber auch in unterschiedlicher Intensität Widerstände gegen den Verlust des „neurotischen Gleichgewichts“. Diese Widerstände zeigen sich in charaktertypischen Abwehrmechanismen, negativen Einstellungen und Urteilen, Ängsten, Misstrauen usw., die bis zum Abbruch des Prozesses reichen können.

Der Wunsch nach Veränderung bedarf der Wertschätzung des Therapeuten und seiner Methode, die Abwehr von Veränderung befleißigt sich der Abwertung derselben. In der psychotherapeutischen Terminologie fasst man diesen Ambivalenzkonflikt als (positive und negative) Übertragungen zusammen. Übertragungen sind in höchstem Maße dynamische Wirkkräfte, die den Veränderungsprozess in seinen verschiedenen Phasen beeinflussen. Dies war die revolutionäre Entdeckung Freuds und seiner Psychoanalyse.

Naheliegend stellt sich die Frage danach, welches die entsprechenden dynamischen Wirkkräfte aufseiten des Therapeuten sein könnten? Wodurch wirkt ein Therapeut auf den Prozess ein, welche seiner persönlichen und professionellen Eigenschaften und Fähigkeiten haben eine Wirkung auf die Effizienz, das Ergebnis eines Therapie- bzw. Transformationsprozesses?

Was einen klinisch orientierten psychotherapeutischen Prozess angeht, so fällt die Antwort darauf leicht: Wenn das Symptom verschwunden ist, dann hat die Therapie erfolgreich gearbeitet.

Bei transformatorischen Ansätzen, also Methoden, die sich nicht am Symptom, sondern am Wachstum der Persönlichkeit in der Tradition der Humanistischen Psychologie definieren, fällt eine Aussage schwerer: Hier dürfte der Prozess dann effizient zu nennen sein, wenn das im Arbeitsbündnis zugrunde gelegte Ziel verwirklicht wurde – wobei ein solches Ziel im Laufe des Prozesses durchaus veränderten Definitionen ausgesetzt sein kann.

(Fortsetzung folgt)

Freitag, 6. Mai 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (89): Die Urerfahrung des energetischen Kontakts


Hier bewegen wir uns an der Schnittstelle dessen, was die natürliche Spiritualität des Menschen ausmacht. Jene aus der Tiefe des transpersonalen Selbst entspringenden Bedürfnisse weisen über die  die gehirndominierte Rationalität des herrschenden Weltbildes hinaus in eine andere Wirklichkeit der Seinsverbundenheit. Die traditionelle Trennung von Physik und Metaphysik erhält im Zusammenhang mit dem Phänomen des energetischen Kontakts eine erweiterte Bedeutung:

Es sind 3 fundamentale Daseinselemente, die, und sei es in noch so verzerrter Form, das Seelenleben des Menschen weitgehend bestimmen: Liebe, Sexualität, Bindung. Naheliegend ist, dass der wahrhaftige, d. h. die Tiefe unseres Herzens berührende Kontakt diejenige Erfahrung ist, die wir ein Leben lang suchen. Eine Erfahrung, die wir in Bindung und Verbindung, in Liebe und Sexualität suchen und die wir dort – in glücklichen Augenblicken von Präsenz – finden und wiederfinden?

Wiederfinden kann man nur etwas, was verloren gegangen ist. Verloren gegangen ist die Urerfahrung von Bindung und Verbindung, von Liebe und umfassender Lust, wie sie jeder Mensch in mehr oder weniger deutlicher Ausprägung in seiner vorgeburtlichen Entwicklung erfahren hat. Wie auch immer diese Erfahrung war, eines ist gewiss: Die pränatale Entwicklung lässt sich charakterisieren als eine Phase des intensivsten energetischen Verbunden-Seins mit einem anderen Menschen, der Mutter, in der gesamten Entwicklung, lange vor der Sprache, lange vor dem Denken. Eine Entwicklungsphase der intensivsten Sinnlichkeit, Offenheit und Empfänglichkeit für die Informationen der umgebenden Lebensumwelt, dem Mutterleib. Eine Entwicklungsphase der vollständigen Hingabe.
  
Könnte nicht die Anziehung, die Leidenschaft, die Macht, aber auch die Verwirrung und Verirrung, die die menschliche Sexualität dominiert, von diesem Geheimnis bestimmt sein: Dass ihre Magnetkraft in Wahrheit die Magnetkraft unserer Sehnsucht nach diesem umfassenden energetischen Kontakt und der vollständigen körperlichen und seelischen Hingabe repräsentiert? Dass Sexualität dort erfüllend, befriedigend und von tiefer Liebe und Bindung getragen ist, wo sie sich mit dieser Erfahrungswelt verbindet?

Besteht das Geheimnis der genitalen Orgasmusfunktion nicht allein, wie der frühe Wilhelm Reich glaubte, in der „Entladung überschüssiger Energiepotentiale“, sondern auch, auf einer tieferen Ebene, in der Funktion der Wiederherstellung des ursprünglichen energetischen Kontakts mit einem anderen Menschen, also der Wiederbegegnung mit einer energetischen Seinsebene, die tief in allen Menschen angelegt ist?

(Fortsetzung folgt)

Montag, 2. Mai 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (88): Quelle der Sehnsucht


Diese Eigenschaften des energetischen Kontakts präzisieren jenen inflationär verwendeten Begriff des „Kontakts“, der immer dann verwendet wird, wenn etwas Wesentliches aus- gedrückt werden will, aber die Worthülse vorgezogen wird. Selbst Reich, dessen besonderes Verdienst es war, darauf hingewiesen zu haben, dass es zwischen Menschen ein Phänomen, das er als „orgonotischen Kontakt“ bezeichnete, überhaupt gibt, ging meines Wissens nicht näher darauf ein, was denn das Spezifische und die konstituierenden Elemente dieser Kontakt- Definition sind.

Die zentrale Bedeutung dessen, was im Therapeuten gefühlsmäßig anklingt und als energetisches Informationsmuster mittels Einstimmung und Berührung übertragen wird, illustriert die Therapeutenweisheit, dass wir den Klienten nur dorthin begleiten können, wo wir selbst schon einmal waren.

Noch eine weitere, ebenso weise Anschauung erhält ihre neue Akzentuierung: Nur das, was ich in mir selbst gefühlsmäßig anklingen (und auch im nächsten Augenblick wieder verklingen) lassen kann, habe ich als Therapeut zur Verfügung, ohne dass es mich hat, d. h. mich in meinen eigenen Regressionen verliere. Nur dann, wenn ich jederzeit ein- und auch wieder auftauchen kann aus dem Herzcode-Strom, ist die Voraussetzung gegeben, auch in die Herzcode-Ströme anderer Menschen einzutauchen und diese wahrzunehmen und zu würdigen, was sie sind – tiefster Ausdruck des transpersonalen Selbst.

Diese Elemente des energetischen Kontaktes lassen sich, wie gesagt, zunächst auf dem Feld der Körpertherapie beobachten.

Aber der energetische Kontakt scheint, jetzt bewege ich mich auf das glatte Eis der Spekulation, darüber hinaus von großer Bedeutung für das Verständnis grundlegender menschlicher Interaktionsprozessen zu sein. Meine These ist, dass der energetische Kontakt die postnatale Nabelschnur darstellt, die uns, wenn wir Geborene sind, geschenkt wurde, um aus den Tiefen des Herzcode-Stroms Verbindung und Bindung mit anderen Menschen und Lebewesen zu (er)leben.

Möglicherweise könnte die Nabelschnur des energetischen Kontaktes die Quelle aller Sehnsucht, der tiefe Gehalt jeder Regression und jener Verschmelzungswünsche repräsentieren, die Freud als „ozeanisches Gefühl“ und Reich als „kosmische Sehnsucht“ bezeichnete.

(Fortsetzung folgt)