Donnerstag, 29. Dezember 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (140): Rhythmusstörungen in der vorgeburtlichen Entwicklung

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Bereits in der vorgeburtlichen Entwicklung können Rhythmusstörungen der Erregungs- und Entregungsprozesse, der Aktivitäts- und Ruhephasen auftreten. Dies geschieht durch die aktive oder passive Verleugnung der Schwangerschaft selbst, durch unangepassten, gehetzten Lebensstil, nicht reduzierte Arbeitsintensität, also vor allem durch negative Stressoren in der unmittelbaren Lebensumwelt der Schwangeren. Auffällige Arrhythmien im Aktivitäts-/Schlafzyklus zwischen Schwangerer und Fötus weisen darauf hin.

Neuere Forschungen zeigen, »dass Stress während der Schwangerschaft ein wesentlicher Risikofaktor für die Entwicklung von Depressionen im späteren Leben sein kann. Als eines der wenigen Zentren sind die Schlafmediziner im biomagnetischen Zentrum am Universitätsklinikum Jena in der Lage, die Hirnaktivität des Babys im Mutterleib und seinen Stressspiegel über magnetische Wellen aufzuzeichnen, die das Gehirn und das Herz durch die mütterliche Bauchwand aussendet.« (9monate.de, 21.10.2013)

»Ist eine erhöhte Stressempfindlichkeit [in der pränatalen Entwicklung, vkd] auch mit negativen Auswirkungen verbunden. Es gibt eine Reihe von Stress assoziierten Erkrankungen wie das ADHS, Depressionen und hohen Blutdruck und Hinweise darauf, dass eine erhöhte Stressempfindlichkeit das Schlaganfallrisiko erhöht, zu kognitiven Störungen und zu einer früheren Hirnalterung führt.« (Schwab, 15.09.2015)

Energetisch betrachtet ist negativer Stress eine Übererregung der Körperseele durch Stressoren, die über eine positive Stimulation hinausgehen. Eine Disbalance und verschiedene Abwehrreaktionen sind die Folge.

Emotionen wie Angstschreie, Weinen, der motorische und lautstarke Ausdruck von Schmerz oder Ärger, begleitet von entsprechenden körperlichen Ausdrucksbewegungen, sowie der gesamte Komplex der menschlichen Sexuualität repräsentieren die im Menschen verankerten Grundmuster, um Stressenergie abzureagieren, übermäßige Spannung und Erregung abzubauen. Damit kann die Körperseele zurück in den Bereich von Entspannung und Entregung schwingen und seine energetische Balance wiederherstellen.

Sind diese Wege versperrt, bleibt der emotionale Ausdruck durchgängig blockiert, ergibt sich daraus ein Ungleichgewicht. Entregungsprozesse werden verhindert, was sich u. a. in Schlafstörungen und der wachsenden Unfähigkeit zur Entspannung manifestiert.

In diesem Fall haben die äußeren Stressoren dermaßen an Wirkung gewonnen, dass die bio-emotionalen Kompensationsmechanismen nicht mehr zur Geltung kommen, um die Über-Erregung abzubauen. Dies kann nicht nur zu chronischen Ungleichgewichten in der Körperseele führen, sondern ist vermutlich auch dafür verantwortlich, dass der vegetative Kontaktimpuls empfindlich gestört wird oder ganz verschwindet. Als deren Spätfolge können Symptome seelischer und körperlicher Erkrankungen entstehen.

Die Ausprägung dessen, was »übermäßig« wirkt, scheint individuell definiert werden zu müssen. Wo die Voraussetzungen für die individuell unterschiedlichen Stressverarbeitungskapazitäten liegen, darüber lässt sich gegenwärtig nur spekulieren. Möglicherweise stellt das  "personale System des Herzcodes" (s. o.) einen Einflussfaktor dar.

(Fortsetzung folgt)

Samstag, 17. Dezember 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (139): Erregungs- und Entregungsphasen in der pränatalen Entwicklung

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In den Aktivitätsphasen der Mutter ist auch der Fötus häufig wach, die Schlafphasen der Mutter und des Fötus verlaufen nahezu identisch. Naheliegenderweise gilt dies auch für die Zwischenphasen zwischen Wachbewusstsein und Schlaf, nämlich denjenigen von Trance und tiefer Entspannung.

Untersuchungen haben nachgewiesen, dass ein signifikanter direkter Einfluss des Entspannungszustandes der Mutter(*FN*  Bei diesen Versuchen wurden die Schwangeren mithilfe von Methoden wie progressiver Muskelentspannung und Meditationsmusik in einen entspannten Zustand versetzt und dabei die verschiedenen Parameter bei der Mutter und beim Fötus gemessen.*FN*) auf die messbaren Parameter (fötale Herzfrequenz, fötale motorische Aktivität, Korrelation zwischen fötaler motorische Aktivität und Herzschlag) des Fötus besteht (DiPietro u.a., 2007).

Wenn die Schwangere zur Ruhe kommt und sich entspannt, dann wirkt sich das unmittelbar auf den Entspannungszustand des Fötus aus, auch er kommt zur Ruhe, sein Herzschlag verlangsamt sich und seine motorische Aktivität passt sich diesem veränderten Rhythmus an.

Halten wir also fest, dass es in der pränatalen Entwicklung die Grunderfahrung eines gemeinsamen und gleichzeitigen Erlebnisfeldes von Bewusstseinszuständen gibt, die zwischen Wachzustand, Erregung, Entregung und Schlaf hin- und her pendeln.

Man könnte diese Phase auch als eine grundlegende biologisch-energetische Kontakterfahrung bezeichnen, die als Grundmuster des vegetativen Kontaktimpulses und der Möglichkeit zur vegetativen Identifikation ein Leben lang latent vorhanden bleiben.

Der vegetative Kontaktimpuls und die Fähigkeit zur vegetativen Identifikation bilden gleichzeitig die biologisch-energetische Basis für die Wirksamkeit der Körpertherapien. Es scheint sich hier um ein phylogenetisches Erbe zu handeln, das grundsätzlich im vegetativen Kontaktimpuls, der Fähigkeit zu vegetativem Kontakt als solchem und in Tranceerfahrung und -neigung des Menschen verankert ist.

Soweit zu den Erkenntnissen über diese biologischen Grundmuster. Es muss allerdings eingeräumt werden, dass unsere Kultur noch wenig über die Bedeutung der Tranceerfahrungen weiß. Sie werden in der prä- und perinatalen Entwicklung häufig in Zusammenhang gebracht mit wichtigen Wachstumsprozessen des Gehirns. Welche Funktionen sie darüber hinaus besitzen und vor allem, welche davon im Erwachsenenalter noch von Bedeutung sind, darüber gibt es wenig Kenntnisse. Um so erstaunlicher, dass Trancetechniken und das Wissen um Trance bei Ritualen indigener Völker und denen religiöser oder spiritueller Sekten und Gruppierungen eine durchaus dominierende Rolle spielen.

Es drängt sich der Verdacht auf, dass unsere Kultur wenig Interesse an solchem Wissen hat, denn Trancezustände, das Menetekel des Nichts-Tuns und die gehetzte Arbeitswelt passen überhaupt nicht zusammen. Siehe dazu auch meine Ausführungen zum Gegensatz von Machen und Sein in Kapitel »Familienphantasien therapeutischen Handelns«.

Auf diesem Hintergrund ist es naheliegend, dass es in unserer hektischen Welt leicht zu »Rhythmusstörungen« im Kontakt zwischen Mutter und Kind kommen kann. Diese gilt es sowohl im pränatalen und perinatalen Umfeld als auch im Säuglingsalter zu wahrzunehmen.

(Fortsetzung folgt)

Montag, 12. Dezember 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (138): Die Vertreibung aus dem pränatalen Paradies

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Der Mensch lebt bis zum 3. Lebensmonat in einem Zustand tiefer, vielleicht seliger Entspannung, der bereits im Mutterleib seinen Anfang nimmt. Findet sich hier die Matrix der Paradiesphantasien, die häufig mit der pränatalen Entwicklung assoziiert wird? Allerdings würde dieser Paradieszustand dann, entgegen diesen Thesen und Mythen, bis zum 3. Lebensmonat reichen und nicht unbedingt mit der Geburt beendet sein.

Bedeutsamer scheint mir allerdings zu sein, dass die vorzeitige »Vertreibung« aus diesem Paradies,  während der pränatalen Entwicklung oder später, nicht spurlos an Körper und Seele des Kindes vorbeigeht. Im Gegenteil, da frühe und erste Prägungen die tiefsten und schmerzhaftesten Spuren hinterlassen, ist die These wohl nicht allzu abwegig, dass der Mensch
  • Bis zum 3. Lebensmonat idealtypischerweise in einem quasi-ekstatischen Trancezustand lebt.
  • Der Beginn der Ich- und Egoentwicklung mit den Veränderungen der Gehirnwellenmuster und anderer bio-energetischer Veränderungen im Körper einhergeht.
  • Störungen in dieser Entwicklungsphase den Nährboden für jede Form von Persönlichkeits- und Bindungsstörungen bilden.
Wenn dieser Zusammenhang zwischen prä- und perinatalen Entregungsdefiziten und bestimmten Störungsmustern zutrifft, dann wird mit einem Schlag einer körpertherapeutische Herangehensweise  erkennbar, die auf diesem Modell basiert: die der seinsorientierten Körpertherapie.

Die Parameter der Gehirnwellenmuster stellen in unserer gehirndominierten Kultur naheliegenderweise ein überzeugendes Argument dar. Das klingt halt sehr wissenschaftlich und ausgesprochen bedeutsam.

Wesentlicher scheint mir allerdings zu sein, dass die Kategorie Alphawellen typischerweise diejenigen Gehirnwellenmuster repräsentiert, die mit Entspannungs- und Trancezuständen einhergehen. Nicht die Gehirnwellen sind wesentlich, sondern die Tatsache, dass sich der gesamte Organismus in einem tief entspannten Zustand sich aufhält, sobald diese Alphawellen sichtbar werden.

(Fortsetzung folgt)

Donnerstag, 8. Dezember 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (137): Vegetativer Kontaktimpuls und Gehirnwellenmuster

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Der vegetative Kontaktimpuls beschreibt auf den ersten Blick nichts anderes als die Hingabe an die Erfahrung, sich mit einem anderen Menschen gemeinsam und gleichzeitig in einen Zustand tiefer Entspannung und Trance fallen zu lassen.

Das klingt zunächst ziemlich banal, wenig spektakulär. Aber bisweilen verbergen banale Vorgänge ziemlich spektakuläre Wahrheiten.

Die Matrix des vegetativen Kontaktimpulses findet sich sowohl in der pränatalen Entwicklung als auch im ersten Lebensjahr während der Säuglingsphase. In der vorgeburtlichen Phase existiert physiologisch eine engmaschige Wechselbeziehung zwischen Fötus und Mutter. Dies gilt auch für den Schlaf-Wach-Rhythmus.

»Der andere wichtige Rhythmus, der zirkadiane Wechsel von Schlafen und Wachen, ist im Gegensatz zum REM/Non-REM-Rhythmus beim Fötus noch sehr schwach ausgeprägt; er wird anscheinend nicht vom eigenen Antrieb getragen. Zwar ist der zirkadiane Zeitgeber der Säugetiere, der Nucleus suprachiasmaticus (NSC), aber der 18. SSW vorhanden und oszilliert. Er unterhält aber noch keine synaptischen Verbindungen mit anderen Gehirngebieten und hat keine Einfluss auf die Aktivität des Fötus (...). Seine zirkadiane Aktivität hängt vollkommen vom Tag/Nacht-Rhythmus der Mutter ab und wird vermutlich durch einen mütterlichen Botenstoff, wahrscheinlich Melatonin ... eingespielt. ... Nachgeburtlich dauert es etwas 3 Monate ... [bis sich] das Neugeborene an einen autonomen Schlaf-wach-Rhythmus halten [kann].« (Herpertz-Dahlmann u.a., 2003, S. 28)

Von der biologischen Grundlage her gleichen sich die vegetativen Zyklen und Rhythmen zwischen Fötus und Mutter natürlicherweise an. Wie o. a. Zitat zeigt, deuten die Forschungen darauf hin, dass die vegetativen Zyklen der Mutter sich bis zum 3. Lebensmonat direkt auf den Fötus auswirken und erst von da an das Neugeborene autonome Rhythmen entwickelt.

Interessanterweise fällt dieser Zeitpunkt exakt mit dem eigenartigen Phänomen zusammen, dass sich die Dominanz der Gehirnwellenmuster ab dem 4. Lebensmonat grundlegend verändert. Bis zum 3. Lebensmonat überwiegen die Alphawellen, also jene Gehirnwellen, die mit Entspannung einhergehen, die Gehirnaktivität im Wachzustand des Neugeborenen. Dies ändert sich im 4. Lebensmonat, denn hier übernehmen die Betawellen, also die Gehirnwellen des "normalen" Wachbewusstseins, die Herrschaft. Diese Betawellen dominieren dann vom 4. Lebensmonat an das Wachbewusstsein des Menschen, und zwar bis zu seinem Tod.

(Fortsetzung folgt)

Montag, 5. Dezember 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (136): Hingabe und Trance


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Wir waren bei der Frage nach der kognitiven Kontrolle durch den Therapeuten. Bei  körperpsychotherapeutischen Verfahren erscheint die Antwort naheliegend. Da hier regressive und karthartische Abreaktionen auftreten, sollte ein achtsames Auge des Therapeuten darauf gerichtet sein, dass der Klient sich nicht selbst verletzt oder die Praxiseinrichtung beschädigt, wenn er beispielsweise bei einem befreienden Wutausdruck heftig in ein Schaumstoffkissen schlägt.

Bemerkenswert ist, dass die Kontrolle, um die es hier geht, impliziert, dass der Therapeut durchgängig beobachtet, was geschieht. Er verharrt also in einem aufmerksamen, wachen Bewusstseinszustand, unabhängig von dem, was auf Klientenseite vor sich geht.

Dahinter verbirgt sich nicht nur das Tabu, als Therapeut zu regredieren, sondern auch die Forderung, die bewusste, kognitive Ebene, also die Instanz des beobachtenden, analytischen Verstandes, keineswegs zu verlieren.

Es existiert also ein Gefälle zwischen der kognitiven Bewusstheit des analytischen Körpertherapeuten und des in Regression befindlichen Körpertherapieklienten. Was dies für generelle methodische Fragen aufwirft, soll hier nicht erörtert werden. Uns interessiert etwas anderes.

Bei der Arbeit mit Entregungsprozessen wird nämlich deutlich, dass dieser wache kognitive Zustand schwer aufrecht zu erhalten ist. Es erscheint unnatürlich, in diesem zwanghaft wachsamen Status zu verharren, während der Klient gleichzeitig in tiefer Trance versinkt. Der Drang auf Seiten des Therapeuten, Entspannung bei sich selbst zuzulassen, wird übermächtig.

Ich hatte im ersten Teil dieses Buches bereits beschrieben, wie folgenreich der Schritt für mich war, diesem natürlichen Impuls nachzugeben und damit die bewusste Kontrolle über das aufzugeben, was sich körperlich-energetisch im Klienten abspielt. Denn in dieser Realität spielt sich rein äußerlich überhaupt nichts mehr ab. Der Klient liegt tiefenentspannt da und bewegt sich nicht.

Der Drang zur Hingabe an den Trancezustand, der auch auf Seiten des Therapeuten beobachtet werden kann, ist allerdings kein Zufall. Vielmehr treffen wir hier auf ein fundamentales energetisches Muster, nämlich das des vegetativen Kontaktimpulses.

(Fortsetzung folgt)

Freitag, 2. Dezember 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (135): Entregungsprozesse im therapeutischen Setting

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Das Entregungsphänomen weist einen Weg in das innere Universum der Körperseele. Es ähnelt in mancherlei Hinsicht der Meditation, allerdings mit dem Unterscheidungsmerkmal, dass die durchgängige geistige Zentrierung, die bei der Meditation eine zentrale Rolle spielt, bei Entregungsprozessen keine Bedeutung hat.

Dennoch gibt es, wie wir sehen werden, Übereinstimmungen, vor allem auf der Ebene dessen, was äußerlich sichtbar wird. In dieser Hinsicht könnte man also durchaus bei den Entregungsprozessen  als »Meditieren in Kontakt« oder »Meditation zu zweit« sprechen.

Das, was wir bis zu diesem Punkt als Anwendungpraxis von Körpertherapie beschrieben haben, bewegt sich noch »irgendwie« in dem traditionellen Modell  der Interaktionen von Therapeut und Klient. Der Therapeut bietet eine bestimmte Herangehensweise an, die den Klienten in seiner Entwicklung fördert. Das Setting, das daraus resultiert, reflektiert nicht nur definierte soziale Rollen, nicht nur eine subtile Machtstruktur. Auch die Prämisse einer definierten Ordnung des Bewusstseins und der Bewusstheit ist hier enthalten.

Diese Prämisse trägt nämlich in sich, dass der Therapeut derjenige ist, der die bewusste Führung und Kontrolle über alle Vorgänge im Rahmen des therapeutischen Settings besitzt. Der Klient hingegen darf im Rahmen dieses Arbeitsbündnisses, natürlich innerhalb bestimmter, bisweilen weit gefasster Grenzen; regredieren, agieren, übertragen, was das Zeug hält. Denn der Therapeut bleibt stets derjenige, der das Steuerrad des Fahrzeugs in den Händen hält.

Ein Regredieren oder Agieren des Therapeuten wäre kontraindiziert und arg unprofessionell, oder?

Das heißt aber auch, dass es hier um die Kontrolle dessen geht, was in einer Sitzung geschieht. Der unausgesprochene Konsens besteht also darin, dass der Therapeut nicht nur die professionelle Verantwortung, sondern auch die kognitive Kontrolle darüber besitzen sollte, was vor sich geht.

Was muss da eigentlich durch den Therapeuten kontrolliert werden? Wie stellt er das an?  Kontrolliert er den Klienten, sich selbst, oder beide?

(Fortsetzung folgt)

Mittwoch, 30. November 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (134): Dialogischer Halt, das Tor zur Tiefenentspannung

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Dieser gemeinsame absichtslose Rhythmus, der Tanz des Lebens, dieser pulsatorische Kontakt in der Berührung bewirkt zwei erstaunliche Effekte:
  • Einerseits wird die Starre der Muskulatur verändert durch die Verlebendigung und erhöhte Pulsationsfähigkeit.
  • Andererseits öffnet sich eine Tür zur Erfahrungsebene von Trance und Tiefenentspannung. Die dialogische Berührung wirkt als Tranceinduktion.
Die Wirkkräfte des dialogischen Halts erschließen neue Perspektiven für die therapeutische Arbeit, lassen Trancezustände in diesen Bereichen in anderem Licht erscheinen. Was vorher als Widerstand, Abwehr oder Kontaktvermeidung interpretiert wurde, stellt sich jetzt als ein Weg in prä- und perinatale Erfahrungswelten dar. Ein Weg, der transformatorische Prozesse und Veränderungen auszulösen in der Lage ist.

Im dialogischen Halt wirken die Selbstheilungskräfte offenbar nicht nur auf der muskulären Ebene, auf der Rigiditäten sich spontan lösen. Es deutet vieles darauf hin, dass in dem Entregungsprozess, der durch den dialogischen Halt ausgelöst wird, sich die energetische Struktur neu formiert.

Dies hat nicht nur Auswirkungen auf Körperbewusstsein des Klienten, sondern auch auf sein Seelenleben.

Ein Loslassen auf der energetischen Ebene erscheint daher funktionell identisch mit der Fähigkeit, im Leben loszulassen, mehr »Gelassenheit« in jene Bereiche zu bringen, in denen sich die physische Erstarrung in der Versteifung des Seelenlebens und der Persönlichkeit spiegelt.

Die Trancezustände, die im Kontext des dialogischen Halts spontan auftreten, sind Hinweise auf die Tiefe der Entregung/Entspannung. Wir können davon ausgehen, dass parallel zu den parasympathischen Reaktionsmustern des Vegetativums auch die Gehirntätigkeit von den Beta- zu den Alphawellen wechseln. Das bedeutet, dass es sich bei derartigen Trancezuständen um ganzheitliche Erfahrungen im Wortsinne handelt, die wir nun genauer betrachten wollen.

(Fortsetzung folgt)

Sonntag, 27. November 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (133): Die Zwiesprache der Berührung

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Wie wir gesehen haben, findet sich in der dialogischen Berührung die Grundhaltung der Absichtlosigkeit, des rezeptiven Kontakts und der Herzcode-Verbindung. Spräche diese Berührung, so würde sie sagen: »Ich bin da, einfach da, mit dir, was auch immer geschieht. Ich halte dich mit liebevollen Händen, ich bin offen für deine Wahrheit.« In diesen Worten dürfte unschwer erkennbar sein, dass hier die uterale Matrix angesprochen ist, sowie die Grundzüge des mütterlichen und väterlichen Halts, die wir bereits an anderer Stelle erörtert haben.

Die berührenden Hände reagieren auf die subtilen Pulsationen in der Muskulatur des Berührten, und zwar in dem (Atem-)Rhythmus, der ihnen zueigen ist:
  • Der Kontakt folgt – weiterhin haltend – der pulsatorischen Bewegung dieser „Muskelatmung“, geht mit, verharrt jedoch an der »Kontaktgrenze« (damit bezeichnen wir jene Muskelschicht, in der die muskuläre Rigidität am deutlichsten wahrnehmbar ist).
  • Die Pulsation vertieft sich, die Berührung der Hände folgt ihren Endpunkten bis an die Grenze, geht aber nicht über sie hinaus.
  • So entsteht ein Zwiegespräch, ein »Tanz«, eine Begegnung zwischen der Pulsation der Muskeln und der Berührung der Hände. Wechselseitige, spielerische Dialoge zwischen Muskulatur und den berührenden Händen entwickeln sich.
Nun mag der aufmerksame Leser sich fragen, ob nicht hier die Haltung der Absichtslosigkeit verloren geht, denn diese Zwiesprache in der Berührung klingt durchaus nach etwas Intentionalem. Lassen Sie uns diesen Einwand kurz näher betrachten.

Wir hatten festgestellt, dass eine Intention, eine Absicht bei einer Intervention in der Regel der Gedankenwelt und seiner Konstrukte entstammt. Die Zwiesprache zwischen der Muskelatmung und den berührenden Händen des Körpertherapeuten besitzt jedoch eine Kontaktqualität des offenen Endes, der Ziellosigkeit, der Wahrnehmung, sowie der Neugier und Offenheit des Herzens.

Führen wir uns die Lebensfreude eines Krabbelkindes vor Augen, das seine Umgebung erforscht, dabei die Dinge »begreift«, in den Mund steckt, sich spielerisch aneignet. Dem Ego-Verstand erscheint ein solches Handeln wenig »zielführend«, um ein beliebtes Modewort hier anzuführen.

Die Berührung des seinsorientierten Körpertherapeuten ist eben nicht »zielführend«, sondern ein offenes Geschehen im Hier und Jetzt. Es ähnelt der Art und Weise, wie ein Kind sich die Lebensumwelt aneignet, wenn es denn gelassen wird. Wenn es den liebevollen Halt und den Rückhalt spürt, frei seinen Impulsen zur Kontaktaufnahme mit der Lebensumwelt zu folgen.

(Fortsetzung folgt)

Freitag, 25. November 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (132): Absichtlosigkeit in der Berührung

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Eine weitere Eigenschaft der dialogischen Berührung möchte ich hervorheben: die Grundhaltung der Absichtslosigkeit.

Absichtslos zu berühren beschreibt jene Berührungsqualität, die aus der Intuition, der organismischen Wahrheit, dem Herzen entspringt und nicht aus den Modellen, Konzepten und Konstruktionen der Gedankenwelt. Es ist nämlich stets der Verstand, der dazu neigt, Absichten, Bedeutungen, Konzepte in Handlungen einfließen zu lassen. Diese Intentionalität stellt jedoch das genau Gegenteil dessen dar, was in einer dialogischen Berührung den Raum dafür schafft, dass sich organismische Informationen frei bewegen, in Kontakt treten und austauschen können.

Wenn ich mit einer Absicht, einer Intention handele, so mag das zwar die Vorstellung unterstützen, ein definiertes Ziel »effizient« realisieren zu können. Intentionales Handeln eignet sich hervorragend für alle Arten von Tätigkeiten, die einer berechenbaren Logik entsprechen. Mit intentionalem Handeln kann man Software programmieren oder auch bedienen, Maschinen als Verlängerung der analytischen Logik des Gehirns in Gang setzen, usw. Die Welt, in der wir hier leben, ist unfassbar hoch entwickelt auf diesen Gebieten.

Wenn es allerdings um all die feinstofflichen energetischen Prozesse in der Körperseele des Menschen geht, wenn es um Beziehung und Bindung, um Gefühlsleben und Liebe, um Intimität geht, dann bilden die gedanklichen Konstrukte des Ego-Verstands eine verhängnisvolle Barriere.

Denn sie stellen eine narzisstische Abwehr dar. In diesem entscheidenden Moment von Begegnung tritt ein Mensch mit sich selbst  und seinen Gedanken und Konzepten in Kontakt, bewegt sich im eigenen kognitiven Universum, aber nicht mit dem des Anderen. Er ist identifiziert mit seinem Denken, aber nicht mit all den Empfindungen, Gefühlen und anderen intuitiven und instinktiven Ressourcen, die in jedem  Augenblick reichlich vorhanden sind. Ist ein Mensch nicht viel, viel mehr als die Gedanken, die er denkt?

Dazu tritt ein Phänomen, das in der Körpertherapie eine besondere Bedeutung besitzt: Der Zugang zu den organismisch-energetischen Informationen eines anderen Menschen liegt allein auf der organismisch-energetischen Ebene. Dieser Zugang bedarf einer rezeptiven Einstellung, nicht einer intentionalen. Nur mit einer energetischen Empfänglichkeit lassen sich authentische Inhalte wahrnehmen.

Gedankliche Konstrukte hingegen neigen dazu, wie ein Filter zu wirken. Es kommt nur das an, was dem jeweiligen Konstrukt entspricht. Die vielfältigen organismischen Informationen aus seinem eigenen Energiesystem und dem des anderen Menschen bleiben auf diese Weise unzugänglich, verschlossen, liegen brach.

(Fortsetzung folgt)

Mittwoch, 23. November 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (131): Entspannung in der dialogischen Berührung

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 Betrachen wir also zunächst, was während der körpertherapeutischen Arbeit in der  Einstimmungsphase geschieht.

Halten wir z. B. über einen längeren Zeitraum (ca. 15–30 Minuten lang) die verhärtete, starre Nackenmuskulatur eines Klienten, so lassen sich in der Einstimmungsphase folgende Phänomene beobachten:

  • Die Muskelpartie fühlt sich in der Regel zunächst kühl, starr, unbeweglich und leblos an.
  • Die Temperatur an der Oberfläche erwärmt sich während der Berührung, die ungefähr 10-15 Minuten an der gleichen Stelle ansetzt und beibehalten wird.
  • Die Muskelspannung beginnt allmählich in der oberflächlichen Schicht nachzugeben. Es entsteht der Eindruck, als ob die Rigidität der Muskulatur zu "schmilzen" beginnt.
  • Es ereignet sich eine sog. "Lumination", die energetische Erstrahlung dort, wo die Berührung erfolgt. Wahrnehmbar wird dies durch eine plötzliche Erwärmung der Haut und eine deutliche Intensivierung der Pulsation an der berührten Stelle.
  • Die Starre und die Unbeweglichkeit der Muskulatur verändern sich prinzipiell in Richtung Pulsation (die Muskeln scheinen in einem eigenen Rhythmus zu atmen, sich sehr subtil zu bewegen).
Sobald Lumination und Pulsation in den Händen des Körpertherapeuten spürbar werden, entsteht ein energetischer »Dialog«, die Dialogphase beginnt.

In dieser Zwiegesprächsphase tritt eine subtile Veränderung der Berührungsqualität ein. Diese ist zwar immer noch gekennzeichnet durch die haltende Präsenz, jedoch tritt ein neues Element hinzu: Das dialogische Prinzip, das pulsatorische Gespräch zwischen den berührenden Händen und den berührten Stellen des Körpers. Es handelt sich um eine direkte Form des physischen Kontakts zwischen den berührenden Händen und den berührten Haut-Muskel-Partien.

Die innere Haltung des seinsorientierten Körpertherapeuten dabei lässt sich charakterisieren als präsent, rezeptiv, liebevoll zugewandt und dialogisch. Diese Dialogphase ließe sich auch als eine Art Tanz des Lebendigen beschreiben, ein Tanz, der spontan, authentisch und völlig autonom, entwickelt über die Jahrtausende der Phylogenese, erfahrbar wird.

(Fortsetzung folgt)

Sonntag, 20. November 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (130): Die stille Zwiesprache in der Berührung

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Die seinsorientierte Körpertherapie nimmt eine grundlegend andere Haltung ein als diejenige eines "Aufbrechens" des Panzers.. Die Haltung, mit und in der die seinsorientierte Körpertherapie dem Körperpanzer begegnet, basiert auf dem Modell der muskulären Panzerung als Selbsthalt und auf der Dualität von Halt und energetischer Information.

Der körperliche Halt, den die seinsorientierte Körpertherapie in der Berührung vermittelt, ist gekennzeichnet durch einfaches Nur-Da-Sein, durch einfache Präsenz (dies im Gegensatz zu Aktivitätszwang, Machen, Intervenieren): Die berührenden Hände des Körpertherapeuten sind präsent in ihrem Sein. Sie sind präsent jenseits diagnostischer Prämissen, sie attackieren keinen Panzer, sie invadieren keine Panzerungssegmente, sie manipulieren keine Abwehr. Sie sind einfach da, und sie sind im Kontakt. Sie begleiten das, was ist, ohne die Intention, etwas im Körper manipulieren zu wollen. Sie sind da, sind da aus sich heraus, in offener, herz- und zellcode-dialogischer, überhaupt dialogischer Art und Weise.

In der Berührung zeigt sich die seinsorientierte »vollständige Zuwendung«, Kontakt und Präsenz, in dem sich die Herzcode-Informationen der Beteiligten begegnen und austauschen, werden erfahrbar. Berührung ermöglicht Dialog auf subtiler Ebene, stille Zwiesprache zwischen berührendem und antwortendem Organismus, zwischen dem, der spricht und dem, der lauscht.

Die überraschende Erfahrung, die in Verbindung mit dieser Art Berührung ermöglicht wird, besteht darin, dass eine rigide Muskelpartie sich nach einiger Zeit wundersam verändert. Dies gilt für alle Bereiche des Körpers. Dabei unterscheide ich zwei Phasen, die Einstimmungsphase und die Dialogphase, die funktionell identisch ist mit der Desorganisierungs- und Reorgansierungsphase. Sie bilden in der Praxis einen fließenden Übergang. Zum besseren Verständnis will  ich im folgenden detaillierter beschreiben, was genau in diesem Halte-Dialog geschieht.

(Fortsetzung folgt)

Mittwoch, 16. November 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (129): Traditionelle Körpertherapie mit chronischen Muskelspannungen

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Die traditionelle, auf Wilhelm Reich zurückgehende körpertherapeutische Herangehensweise bei der Arbeit mit chronischen Muskelspannungen richtet sich auf eine Verstärkung dieser Spannungen. Mithilfe einer vertieften Atmung wird das organismische Ladungsniveau und die körperliche Spannung so weit erhöht, so dass durch gezielten Druck auf die hypertonischen Muskelansätze sich die Rigiditäten spontan lösen. Es kommt zu einer bio-energetischen „Entladung“.

Als Resultat dieser Entladung verändert sich der Muskeltonus spürbar in Richtung Entspannung, gewinnt an Pulsationsfähigkeit, die u. a. in Zittern, Strömungsempfindungen und klonischen Zuckungen sichtbar wird.

Reich fasste diese Phänomene in seiner »Spannungs-Ladungs-Formel« zusammen: Mechanische Spannung – energetische Ladung –  energetische Entladung – mechanische Entspannung.

Bei dieser klassischen vegetotherapeutischen Herangehensweisen in der Tradition von Wilhelm Reich ergeben sich folgende strukturelle Probleme: Der gezielte Druck auf den Muskelansatz kann, reziprok zur Intensivität dieser Intervention, den muskulären Widerstand verlagern, auf eine tiefere Ebene verschieben oder an anderer Stelle wieder aufbauen. Das bedeutet, dass derartige Interventionen einer wiederholten, manchmal jahrelangen Anwendung bedürfen, um diesen Tendenzen entgegenzuarbeiten.

Zudem gewinnt und verstärkt der gesamte Vorgang, deutlich auch in seiner punktuell martialischen Terminologie (»Durchbruch«, »Panzer« etc.), seine therapeutenzentrierten und invasiven Eigenschaften, die bereits in der schulmedizinischen Tradition und dem darauf basierenden Setting begründet sind.

Desorganisierung und Reorganisierung des organismischen Haltesystems (der „Panzerung“) geschieht im Geiste einer Interventionsstrategie, die am Machen, am Arbeiten, an technischen Herangehensweisen angelehnt ist. Der Körpertherapeut in der Traditionslienie von Wilhelm Reich »entpanzert« die Körper. Er »macht« Panzer weg. Er ist Macher. Verfügt über die Macht, welche die Macht des Machers ist, Macht über Körper und Seele des Klienten auszuüben. Dass sich hieraus eine ganze Reihe von übertragungsspezifischen Problemen ableitet, dürfte naheliegen.

(Fortsetzung folgt)

Sonntag, 13. November 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (128): Selbsthalt, Schmerz und Lust


Diese frühen Erfahrungen von Haltlosigkeit können wir uns als durchaus schmerzhafte Erlebnisse vorstellen. Der biologische Impuls des Säuglings, sich lustvoll und in Liebe mit dem Energiesystem der Mutter zu verbinden, mit dem er 9 Monate lang verbunden war, wird gehemmt und frustriert. Wiederholt sich diese Erfahrung wieder und wieder, entstehen Reaktionsmuster, welche die Basis der Neurosenbildung darstellen.

Wir bewegen uns hier an der Schnittstelle von Natur und Kultur. Das natürliche, instinktiv-biologische Programm, das in Säuglingen angelegt ist, haben wir charakterisiert als Bedürfnis nach Halt und Hingabe. Dort, wo dies nicht oder nur unzureichend beantwortet wird, beginnt die kulturelle Prägung, die Veränderung der Natur zur Kultur.

Um mangelnde Halt- und Hingabeerfahrungen zu kompensieren, bleibt dem Säugling nichts anderes, als sich an die gegebenen Realitäten anzupassen. Dieser Anpassungsprozess geht einher mit der fortschreitenden Verleugnung seiner natürlichen, instinktiven und bio-emotionalen Bedürfnisse. Auf diese Weise versucht der Säugling, sich selbst den Halt selbst zu geben, der in seiner Lebensumwelt nicht oder nur beschränkt zur Verfügung steht.

Dieser Selbsthalt, dessen Funktion es ist, das Innere und seine wahre Natur zu schützen, erfüllt gleichzeitig schmerzvermeidende und lustverhindernde Funktionen. Denn Schmerz und Lust werden durch diesen (Selbst-)Halt, die "Panzerung" gleichermaßen blockiert. Möglicher weise enthält dieser Prozess des „Selbst-Halts“ wesentliche Elemente dessen, was wir auf der psychischen Ebene als Ich- Entwicklung bezeichnen würden.

Die weiche, sich hingebene, lustvoll schmelzende Natur des Säuglings wird so allmählich umgeben von einer harten Schale körperlicher und seelischer Abwehr- und Kontaktvermeidungsmuster. Eine Berührung, ein Kontakt kann schmerzhaft sein, wenn die ungestillte Sehnsucht nach Liebe unmittelbar mit dem Angst und Schmerz verbunden erlebt wird. Um diesen Schmerz zu vermeiden, muss auch die Sehnsucht nach Liebe vermieden werden.

Diese Prägungen entwickelt sich bis zu dem Punkt, wo die weichen und hingebungsvollen bio-energetischen Qualitäten, mit denen der Mensch in seiner frühkindlichen Natur ausgestattet ist, nur noch als ferne schemenhafte Gestalten oder überhaupt nicht mehr wahrgenommen werden können.

Dies wird deutlich in der Umkehrung dieses Prozesses innerhalb der seinsorientierte Körpertherapie. Entsteht ein erster Kontakt zur inneren bio-emotionalen Wahrheit, so werden gleichzeitig Sehnsucht nach Liebe und dieser Urschmerz des Herzens spürbar, beide untrennbar miteinander verbunden, wie zwei Seiten einer Medaille.

(Fortsetzung folgt)

Donnerstag, 10. November 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (127): Desorganisierung und Reorganisierung der Körperseele

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Die seinsorientierte Körpertherapie interpretiert Blockaden, Rigidisierungen, Versteifungen des Körpers und der Seele als Funktionen des Selbst-Halts.

Die Rigiditäten und die energetische Erstarrung des Körpers auf der muskulären Ebene fasste bekanntlich der Begründer der ganzheitlichen Körpertherapie, Wilhelm Reich, unter dem Begriff des »Körperpanzers« zusammen.

Rigiditäten im Bereich des Seelischen und des Verhaltens bezeichnete Reich als »Charakterpanzer«. Beide Aspekte lassen sich als Erscheinungsebenen des gleichen energetischen Funktionsprinzips interpretieren, wobei Reichs grundlegender Fokus der Blockierung der lustvollen Erregungsströme im Organismus, der Blockierung von Lust schlechthin galt.

Wenn beispielsweise beim Säugling die lustvollen konvulsivischen Erregungsströme des oralen Orgasmus gehemmt werden, dann geschieht dies u. a. durch Anspannungen in der Masseter- und Mundboden-Muskulatur sowie weiterer muskulärer Funktionsbereiche des Körpers.

Durch welche Umstände wird nun ein derartiges Phänomen ausgelöst?

Die seinsorientierte Körpertherapie vertritt die These, dass, um bei diesem Beispiel zu bleiben, die Mutter im Stillkontakt nicht in der Lage ist, der lustvollen Erregung des Säuglings den notwendigen Halt zu geben, z. B. indem sie sich auf den Säugling in entspannter, liebevoller Präsenz einstimmt und sich der Situation hingibt.

Eine sichere Halterfahrung, in der sich ein Säugling geborgen und liebevoll angenommen fühlt, repräsentiert eine ganzheitliche Erfahrung, einen vollständigen Kontakt auf der körperlichen und seelischen Ebene. Ich verweise auf meine Ausführungen zum Kontaktprozess mit den Elementen Zuwendung, Einstimmung und Gefühlsanklang in den vorangegangenen Abschnitten.

Stress, Leistungs- und Erwartungsdruck sowie zwanghaftes Interpretieren stellen auf Seiten der Mutter häufige Ursachen einer Kontaktstörung zwischen Mutter und Kind in vielen Situationen dar.

Der Säugling erlebt auf diese Weise prägende Erfahrungen bio-emotionaler Haltlosigkeit.


(Fortsetzung folgt)

Montag, 7. November 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (126): Liebesfähigkeit aus der Tiefe des Herzens

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Falls es um die heilende Erfahrung von Liebe geht und diese Fragen bejaht werden, dann blieben diese tiefsten Liebes- und gleichzeitig Transformationsimpulse nicht nur ungesehen, sondern auch unbeantwortet in einer nur technisch ausgerichteten verbalen Psychotherapie.

Wenn der authentische und aus dem Herzcode stammende Impuls, sich liebend zu verbinden, keine Resonanz findet, dann reinszeniert sich lediglich das neurosenbildende Beziehungssystem der Ursprungsfamilie in einer technisch-brillanten, aber empathielosen Psychotherapie.

Liebesfähigkeit aus der Tiefe des Herzens, von der ich hier spreche, meint nicht jene Liebe auf der Spiegelungsebene im narzisstischen Sinne von »oh wie schön, dass du den gleichen Geschmack und die gleichen Werte mit mir teilst, dass macht dich ja so liebenswert«. Liebesfähigkeit aus der Tiefe des Herzens meint jene selbstlose authentische und uneingeschränkte Verbundenheit in Liebe mit der Natur der Seele und der Seele der Natur, in der das Selbst und nicht das Ego Antrieb des Geschehens sind.

Dieser verborgene Schatz der Übertragung bleibt unbemerkt, solange das Modell des Artifiziellen und des Ego-Verstands und nicht die authentische Reaktion des Herzens auch die sprachlich-orientierten Psychotherapien bestimmt. Es ist zu befürchten, dass der Transformationsprozess des Klienten so lang an der Oberfläche verharrt, wie die tiefste Wahrheit seines Herzens ohne Antwort bleibt.

Die Dekonstruktion des Ego-Verstandes und die Rekonstruktion der Liebesfähigkeit bilden so die essentielle Funktionen von Berührung und die heilige Aufgabe einer spirituellen und persönlichen Transformation.

(Fortsetzung folgt)

Samstag, 5. November 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (125): Die verborgenen Schätze der Übertragung

Foto: vkd

Ein zentraler Begriff der Psychotherapien in der Tradition der Psychoanalyse ist »Übertragung«. Via Wilhelm Reich ist dieser auch, zumindest theoretisch und wissenschaftshistorisch, Teil der zeitgenössischen Körperpsychotherapie, die ihre historischen Wurzeln ja in der Psychoanalyse verortet.

Der Begriff der Übertragung fasst das Beziehungsgeschehen zwischen Therapeut und Klient zusammen und bildet gleichzeitig ein grundlegendes Werkzeug für den Veränderungsprozess des Patienten. Das Übertragungstheorem besagt, dass bestimmte Gefühle, Einstellungen und Erwartungen, also bio-emotionale Informationen zwischen Therapeut und Patient ausgelöst und wirksam werden, die aus der Ebene des vor- oder unbewussten Gefühlslebens zum Vorschein kommen. Der Begriff der positiven Übertragung fasst hierbei alle jene Gefühlsregungen zusammen, die idealisierende Impulse bis hin zu Verliebtheitsgefühlen repräsentieren. Beim Begriff der negativen Übertragung finden sich Gefühlsinhalte gegensätzlicher Natur, also Misstrauen, Abwertung bis hin zur Feindseligkeit.

Bemerkenswert in unserem Zusammenhang dürfte sein, dass diesem Gefühlsgeschehen, das unter dem Begriff der Übertragung zusammengefasst wird, auch eine gewisse Künstlichkeit zugeordnet wird. Übertragungen sind in diesem Verständnis gleichzeitig real und artifiziell, da sie in einem symbolischen Raum entstehen und wirken.

Nur mit diesem Kunstgriff des Artifiziellen kann sich der Psychoanalytiker offenbar die Liebesimpulse oder anderen Gefühle seiner Patienten vom Hals halten und gleichzeitig die Abstinenzregel aufrecht erhalten.

Was aber wäre, wenn die tiefste Ebene der positiven Übertragungen ein reales Bedürfnis nach Liebe und Geliebt-Werden repräsentiert und eben keine artifizielle Reinszenierung darstellt? Oder wenn das, was in den positiven Übertragungen aufscheint, jene nicht-geschlossenen Kreise, jene unerledigten Geschäfte, jene offenen Fragen aus der Kindheit darstellen, die nach einer Antwort auf der Ebene der Liebe suchen?

Geht es in der tiefsten Tiefe unserer Seele um die heilende Erfahrung von Liebe oder um linguistische Deprogrammierungen auf der kognitiven Ebene? Geht es der Seele um spürbare Gesten der Liebe, in einem Blick, in einem Lächeln, in einem Nicken oder Kopfschütteln oder um brillante Deutungen und kluge Erklärungen unter dem Motto »wo Es war, soll Ich werden«?

(Fortsetzung folgt)

Dienstag, 1. November 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (124): Das heilende Agens der Berührung

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Die Schlussfolgerungen für die Körperarbeit liegen auf der Hand und beantworten gleichzeitig die Frage nach dem heilenden Agens von Körpertherapien, die mit Berührung arbeiten: Es ist die liebende Berührung, jene Berührung, die aus der Präsenz des liebevollen Herzens geschieht, welche ein tiefes menschliches Bedürfnis beantwortet und jenen offenen Kreis zu schließen vermag, den viele Menschen seit frühester Kindheit in sich tragen.

Das, was durch diese Informationsübertragung auf der körperlich-seelischen Ebene in Gestalt der Berührung eintritt, gilt dies entsprechend nicht auch auf der Beziehungsebene zwischen Menschen, also in diesem Zusammenhang auch für alle psychotherapeutischen Methoden, die nicht mit dem Körper, sondern mit Worten arbeiten? Ist nicht jene Berührung, jene Berührtheit, die auf der seelischen Ebene stattfindet, das Pendent oderr idealerweise gar die Ergänzung zu einer liebevollen körperlichen Berührung?

Die entsprechende Hypothese würde lauten, dass das heilende Agens auch hier in der liebevollen Grundhaltung und Zuwendung des Psychotherapeuten und nicht in seinen dezidierten technischen Fertigkeiten zu orten wäre. Kurz gesagt, dass es die Beziehungsebene ist, die das Potential von heilender Erfahrung repräsentiert und nicht so sehr die technische oder analytische Brillanz eines Therapeuten.

Tatsächlich finden sich diese kontroversen Standorte immer wieder in der Geschichte der Psychotherapie. Denken wir beispielsweise an die Kontroverse zwischen Freud und Sandor Ferenczi, der es wagte, das Abstinenzgebot der Psychoanalyse durch offensive »mütterliche Berührungen« zu überwinden. Denken wir an Wilhelm Reich, der die körpertherapeutische Berührung zum Standard seiner »charakteranalytischen Vegetotherapie« erhob und den Körper damit zum Beziehungsobjekt seiner analytischen Praxis machte.

Denken wir an Carl Rogers als Begründer der »klientenzentrierten Gesprächstherapie« und an seine anderen Mitstreiter aus der humanistischen Psychologie, die sich um genau dieses Faktors der Empathie willen vom damaligen psychotherapeutischen Diskurs abgrenzten und eine 4. Psychologie begründeten. Denken wir an Heinz Kohut, der mit seiner auf Zuwendung basierenden Selbstpsychologie einen Kontrapunkt zur technisch-analytischen Brillanz eines Otto Kernberg bildete. Diese Reihe der Kontroversen zwischen empathie- und verstandesorientierter Psychotherapie ließe sich noch eine Weile fortsetzen.

(Fortsetzung folgt)

Freitag, 28. Oktober 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (123): Berührung und Haltung

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In der Kindheit, in der die wesensbildenden Prägungen erfolgen, macht jeder Mensch die ersten Erfahrungen mit Berührungen und den mit ihnen einhergehenden Haltungen und Informationen.

Das neurosenbildende Element hierbei besteht in der grundlegenden Erfahrung, dass Berührung überwiegend nicht aus der Präsenz des Herzens erfolgt, sondern sich aus Quellen des Ego-Verstandes speist oder mit ihnen vermischt ist. Die dominierende Erfahrung, dass Berührung aus der Präsenz der Liebe erfolgt, dürfte eher eine seltene Ausnahme bilden.

Daraus resultieren zwei wichtige Konsequenzen:
  • Die Erfahrung, aus der Haltung des Ego-Verstandes heraus berührt zu werden, wird als »normal« angesehen und entspricht den gesellschaftlichen Konventionen. Wie bereits ausgeführt wurde, liegt der Schwerpunkt hier auf dem Machen, dem Leisten, der sozialen Rollendefinition (»eine perfekte Mutter sein«) und der Dominanz der Zeitstruktur. Berührungen mit diesen Eigenschaften werden später in der Körperarbeit als selbstverständlich angesehen und wirken weniger bedrohlich als diejenigen, die mit der Intuition, Authentizität und der Energie des Herzens verbunden sind. Ein praktisches Beispiel bildet hier das Gegensatzpaar der »klassischen« und der »intuitiven« Massage oder das einer »gymnastisch-übungsorientierten« oder »intuitiv-energetischen« Körperarbeit.
  • Das psycho-biologische Programm, die organismische Wahrheit, sich in einer Berührung in Liebe und Geborgenheit, also im Halt verbunden zu fühlen, bleibt ein offener, niemals geschlossener Kreis in der Körperseele des Menschen. Wenn jemand etwas niemals oder nur rudimentär erfahren hat, dann ist ein solches grundlegende Bedürfnis allerdings nicht ausgelöscht.
    In Wahrheit strebt das Unbewusste – möglicherweise ein Leben lang – danach, diesen Kreis zu schließen, bisweilen auf ziemlich schrägen oder sogar gefährlichen Wegen. Häufig weisen erst drastische Symptome der Körperseele auf diese Zusammenhänge hin und machen einen Menschen für die Wahrheit der Liebe, die in allem wirkt und nach der alles strebt, zugänglich.
(Fortsetzung folgt)

Sonntag, 23. Oktober 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (122): Die Körperseele sucht Berührung

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"Es ist das Herz, das sich mit einem anderen Herzen verbinden will. Der Verstand trennt, er trennt alles in seinen Gedanken, trennt scharf wie das Messer des Chirurgen."


Wenn man von »Berührung« spricht, dann beschreibt dieses Wort eine Dualität: das Körperliche und das Seelische. Eine körperliche Berührung kann unmittelbar mit einem seelischen Berührtsein einhergehen – oder auch nicht. Eine seelisches Berührtsein mag mit bio-emotionalen Reaktionen einhergehen, mit einem Gefühl inneren Schmelzens, Wärmeempfindungen in der Brust u. ä. – oder auch nicht.

Es ist mir und meiner eigenen Persönlichkeit und deren Prägungen geschuldet, ob ich unter dem Begriff Berührung den körperlichen Aspekt, den seelischen oder beide gleichzeitig in meinem Bewusstsein wahrnehme. Dieser begriffliche Zusammenhang weist darauf hin, dass Berührung im Kern die Körperseele, also unsere ganzheitliche Natur, den ganzen Menschen, betrifft.

Jede Berührung verbindet sich mit einer Information, die man gern mit der Worthülse »energetisch« umschreibt. Je jünger der Mensch ist, desto feinfühliger reagiert er auf diese in einer Berührung enthaltene Information. Man kann durchaus die Auffassung vertreten, dass Kinder und auch Tiere über ausgeprägtere Wahrnehmungspotentiale für derartige energetische Informationen verfügen als der durchschnittliche Erwachsene.

Aber selbst im Erwachsenenalter können wir durchaus unterscheiden, ob eine Berührung mit Einfühlsamkeit und Zuwendung ausgeführt wird oder mit der Fahrigkeit eines Termin- oder Leistungsdrucks, mit Unlust oder Widerstreben. Allgemein lässt sich festhalten, dass die Haltung, aus der heraus Berührung geschieht, unterschiedlichen Quellen entstammen kann. Die eine Quelle findet sich in meinem Ego-Verstand, in der Welt meiner Gedanken, Kategorien, Vorstellungen und Selbstbilder, die andere Quelle entspringt der Intuition, der Präsenz und liebevollen Zuwendung des Herzens und seiner Wahrheit.

Jeder, der körpertherapeutisch mit anderen Menschen arbeitet, sollte sich darüber im Klaren sein, dass diese unterschiedlichen Quellen, aus denen eine Berührung entstammt, vom Berührten wahrgenommen wird. Dabei ist es zunächst unerheblich, ob es dem Berührten bewusst ist oder nicht. Denn die Botschaften erreichen in jedem Fall das Unbewusste und die Körperseele des Betreffenden. Dies ist von zentraler Bedeutung.

(Fortsetzung folgt)

Donnerstag, 20. Oktober 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (121): Sessions ohne Zeitlimit

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Typischerweise findet sich bei diesen Klienten die Phantasie, dass ihre Sehnsucht nach Halt dermaßen unermesslich ist, dass sie keinerlei Ahnung oder Vorstellung darüber haben, jemals »satt« zu werden, genug davon bekommen zu können.

In solchen Fällen rege ich eine sog. »open-end Haltsession« an. Dabei geht es darum, dem Klienten solange körpertherapeutischen Halt zu geben, bis er das Gefühl »satt« zu sein und »genug« bekommen zu haben körperlich und seelisch erlebt hat. Diese Erfahrung zieht eine umfassende Korrektur des Selbstbildes nach sich, dass ja beeinhaltet hat, "meine Sehnsucht nach Halt ist so unendlich groß, dass sie niemals gestillt werden kann ..."


Dieser Sättigungspunkt in der Haltearbeit geht in der Regel einher mit motorischen Impulsen, z.B. sich zu strecken, aufzustehen oder einfach in die Welt zu gehen. Man könnte es vielleicht mit der Situation vergleichen, wenn man sich nach ausreichendem Schlaf und Ausruhen im Urlaub voller Neugier und Lebenslust der neuen Umgebung zuwendet und dieser mit frischem Blicken begegnen möchte. Ich habe auch erlebt, dass z. B. nach einer längeren Haltearbeit ein Klient den unmittelbaren Drang verspürte, auf eine Party zu gehen oder zum Tanzen. Wie auch immer, wir orientieren uns, was die Dauer der Interventionen angeht, an genau dieser inneren, organismischen Uhr, an der organismischen Wahrheit.

Dabei ist zu beobachten, dass nur wenige Stunden solcher intensiven Körpererfahrung in den verschiedenen Phasen des Prozesses ausreichen, um die entsprechende organismischen Erfahrungen zu verankern.

Die Sitzungen ohne Zeitlimit zeigen sich in der Praxis meist auf 2-4 Stunden beschränkt, bis dieser Sättigungspunkt erreicht ist. So lassen sich typischerweise eine bestimmte Anzahl von Trancezyklen beobachten, die ca. 20-25 Minuten umfassen. 

All diese Erfahrungen zeigen, dass die biologischen Gesetze in der Tiefe des Organismus der Gattungsgeschichte des Menschen und nicht den Prinzipien der bürgerlichen Ökonomie gehorchen.

Das Prinzip der nicht-intentionalen Berührung bildet ein fundamentales Element der seinsorientierten Körpertherapie. Es geht hier nicht um technische Interventionen, nicht darum, mit dem Körper des Klienten irgendetwas zu machen, etwas zu forcieren oder zu invadieren, es geht um die Erfahrung des Seins und die Reorganisierung grundlegender Körper- Seele-Rhythmen und Körper-Seele-Potentiale.

Wir berühren die Körperseele, wie sie ist, nicht, wie sie sein soll. Wie das im einzelnen geschieht, und welche weiteren Prinzipien hier wirken, dem widmen wir nun unsere Aufmerksamkeit.

(Fortsetzung folgt)


Sonntag, 16. Oktober 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (120): Halt ist der Raum der Stille, in dem das Selbst den Herzschlag des Du wahrnimmt

Foto: vkd

Wie lässt sich nun dieser Tendenz des dominierenden Ego-Verstands in der körpertherapeutischen Praxis entgegenwirken, wenn man ein einfacher Bodyworker oder Körpertherapeut ist, der sich nicht in einem quasi-erleuchteten Bewusstseinszustand befindet und nicht in einem Zustand von Zeitlosigkeit lebt?

Wir bereits dargestellt wurde, sucht die Körperseele nach Halt. Halt als liebevolle Geborgenheitserfahrung stellt eine ontogenetische Matrix und ein frühkindlich-menschliches Grundbedürfnis dar.

Halt entgeht potentiell, ähnlich wie die Berührung von Liebenden oder dem liebevollen Kontakt der Mutter-Kind-Dyade, den Gesetzen der Zeitökonomie. Halterfahrungen reduzieren den Aspekt des Intentionalen in der Berührung, weil eigentlich nichts geschieht im Sinne von Veränderung oder programatischen Abläufen.

Die Betonung liegt in diesen Erfahrungswelten eindeutig auf dem Sein und nicht auf der Tätigkeit. Halt ist der Raum der Stille, in dem das eigene Selbst den Herzschlag des Du wahrnimmt.

Berührung und Halt auf der Stufe der organismischen Wirklichkeit des Kindes wird durch die Erfahrung von Befried(ig)ung definierbar. Das bedeutet auch, dass in unserem Organismus eine innere Instanz existiert, die angibt, wann ein Körperkontakt, eine Berührung, eine Halterfahrung, »satt« gemacht, d. h. Befriedigung im Sinne eines spürbaren inneren Friedens, bewirkt hat und die Körperseele deutliche Anzeichen aufweist, sich in einen anderen Zustand zu bewegen, z. B. von der Entspannung und Trance in den der Aktivität und der Hinwendung zur Umgebung o. ä.

Dieser »Sättigungspunkt« ist individuell unterschiedlich und scheint mir in deutlichem Zusammenhang zu stehen mit den biografischen Prägungen der frühen Kindheit.

Er kann bereits nach ca. 20 Minuten eintreten, was dem Zeitabschnitt entspricht, den ich als »Trancezyklus« bezeichne, oder aber einem zwei- oder dreifachen Trancezyklus mit kleinen Pausen dazwischen (auf die körpertherapeutischen Einzelheiten komme ich später zurück). Es gibt allerdings auch Fälle, und dies trifft insbesondere auf die sog. Frühstörungen zu, bei denen der Sättigungspunkt ein Vielfaches des einfachen Trancezyklus beansprucht.

(Fortsetzung folgt)

Mittwoch, 12. Oktober 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (119): Liebe in Berührung

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Was unterscheidet eine körpertherapeutische Berührung von der Art und Weise, in der eine Mutter ihr Kind berührt oder zwei Liebende sich zärtlich berühren?

Die Antwort ist ebenso frappierend wie banal. In den letzten beiden Szenarien repräsentiert die Berührung nicht nur die gelebte Liebe zwischen diesen Menschen, die dem Hier und Jetzt und den Ausdrucksmöglichkeiten ihrer Beziehung entspringt, sondern die Berührungen tragen auch das Potential der Zeitlosigkeit in sich. Niemand der Beteiligten schaut innerlich und äußerlich  auf die Uhr, die willentliche Kontrolle der Zeit steht, wenn überhaupt, im Hintergrund.

Im Vordergrund steht die Berührung als unmittelbarer Ausdruck der Zuwendung und Liebe, welche die Beteiligten sich fühlen und in der Berührung zum Ausdruck bringen. Berührung ist hier weitgehend Ausdruck von liebevoller Zuwendung, die dem Herzen entspringt.

Gilt dies auch für eine körpertherapeutische Berührung? Auch wenn wir positive Übertragungsgefühle und Liebe identisch setzen oder erst einmal außer Acht lassen: Das Potential der Zeitlosigkeit von Berührung fehlt hier weitgehend, weil, wie wir gesehen haben, nicht nur die Einschränkungen der intentionalen Berührung, sondern auch der ganz banale Zeitrahmen einer Session oder Sitzung klare Grenzen setzen und das Gegenteil eines Potentials von Zeitlosigkeit kreieren.

Berührung geschieht hier im Rahmen einer Dienstleistung. Wenn sie darüber hinaus im Rahmen einer Beziehung erfolgt, dann im Rahmen einer Übertragungsbeziehung und innerhalb vorgegebener und definierter sozialer Rollen (Therapeut/Patient, Lehrer/Schüler usw.).

Wenn jedoch, wie unsere Ausgangsthese lautet, das Unbewusste und die Wirklichkeit von Körperseele und Herzenergie über die Qualität von Zeitlosigkeit verfügt, dürfte es unter diesen Rahmenbedingungen schwierig sein, mit dieser Dimension in Kontakt zu treten. Denn diese Rahmenbedingungen mobilisieren von sich aus die Instanzen des kontrollierenden Ego-Verstandes und erschweren den Zugang zur Wirklichkeit der Körperseele und der Herzenergie.

(Fortsetzung folgt)

Montag, 10. Oktober 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (118): Die dialogische Berührung

Vergiss den Tänzer, das Zentrum des Egos. Werde zum Tanz. (Osho)

Aus diesen Erkenntnissen stellt sich naheliegenderweise die Frage, wie denn eine körpertherapeutische Berührung aussehen könnte, die überwiegend nicht-intentional wirkt und den o. a. Fallstricken zu entgehen vermag.

Grundsätzlich sei angemerkt, dass es eine 100%ige Absichtslosigkeit und damit Abwesenheit von Intention sicherlich in praxi selten geben dürfte und schon gar nicht regelhaft. Aber es lassen sich Tendenzen und Voraussetzungen beschreiben, welche die Wirkungslogik des Intentionalen deutlich verringert, neue Räume und Möglichkeiten von Berührung eröffnen. Diese speisen sich aus anderen Quellen als denen der mentalen Logik und des Ego-Verstands.

Drei Prinzipien, deren Gemeinsamkeit in einer grundlegende veränderten Haltung in Bezug auf die körpertherapeutische Tätigkeit beruht, möchte ich thesenhaft voranstellen:

•    Das Unbewusste und die Wirklichkeit der Körperseele und der Herzenergie funktionieren nach dem Prinzip der Zeitlosigkeit.
•    Die Dekonstruktion des Egos und die Rekonstruktion der Liebe bilden das heilende Agens jeder Berührung,
•    Der Dialog mit der Körperseele des Klienten und nicht die Zeit schafft den Rahmen, innerhalb dessen Transformation stattfindet.

Betrachten wir nun diese Prinzipien einmal genauer und einzelnen.

(Fortsetzung folgt)

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Samstag, 8. Oktober 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (117): Aktionismus in der Körperarbeit

Je mehr der Therapeut "macht", desto fleißiger ist er und desto wertvoller ist seine Arbeit. Deutlich wird diese Logik bei der klassischen Massage. In der öffentlichen Darstellung wird das Bild eines kräftigen, muskulösen Masseurs oder einer entsprechend ausgestatten Masseurin kolportiert, die auch »ordentlich zupacken« können, nach dem Motto »je kräftiger, desto besser« und ein wahres Feuerwerk von Massagetechniken und Griffen auf ihren Kunden loslassen.

Oder, in der postmoderneren Version, wird der Interessent in der schriftlichen Selbstdarstellung des Masseurs mit einem globalen Feuerwerk von Massagetechniken konfrontiert, Massagetechniken, die aus unfassbar vielen Kulturen der Welt den Weg in die entsprechende Hinterhofpraxis gefunden haben.

Eine Überbetonung des Aktionismus wird auf beide Arten zur naheliegenden Konsequenz.
Wohlgemerkt, wir sprechen hier nicht nur über die Vorstellungen des »Körperarbeiters«, Masseurs oder Körpertherapeuten, sondern auch die seiner Klienten. Diese Vorstellungen suggerieren, dass eine Session umso besser ist, je mehr gearbeitet, geleistet wird.

So werden diese Vorstellungen zu einem Tätigkeits-Schema, zu einer Routine und Grundhaltung, die stetig reproduziert wird. Wobei sich die Frage stellt, welches die Terrains, die Erfahrungsbereiche, die therapeutischen Herangehensweisen sind, welche durch diese Routinen unzugänglich bleiben.

Welche körperlichen und seelischen Terrains verharren so im Status des Irredenta-Gebietes?

(Fortsetzung folgt)



Samstag, 24. September 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (116): Die Zeitökonomie von Berührung

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Der Faktor Zeit beherrscht unsere Kultur ebenso wie der Faktor Geld. Das sind Gemeinplätze, die Aussage, dass »Zeit Geld ist«, gilt auch für die therapeutische und spirituelle Szene. Der Klient bezahlt den Therapeuten oder Berater für die Zeit, die er mit ihm und seinen Anliegen verbringt. Diese Zeit ist der Gradmesser der Bezahlung, wie überall in unserer Kultur. „Zeit ist Geld“ gilt in vollem Umfang für die (körper-)therapeutische und transformatorische Tätigkeit.

Das gesellschaftlich dominante Prinzip der Effizienz, der optimalen Nutzung der Zeit, jene Rationalität, die auch immer Rationalisierung der Zeit ist, wie sollte sie auch spurlos an der (körper)therapeutischen Branche vorbeigegangen sein?

Eine intentionale Berührung ist auch Berührung, die subtil von der Ökonomie der Zeit bestimmt ist. Die in der Berührung verborgene Intention ist bei genauem Hinsehen eine der Zeitoptimierung, der Zeiteffizienz. Dieses Gesetz einer effizienten Nutzung von Zeit, auch im stillen Kämmerlein der körpertherapeutischen Arbeit, beeinflusst, begrenzt sie nicht auch, schränkt sie nicht auch ein?

Das Wirkungsfeld der intentionalen Berührung bleibt eingegrenzt auf diejenigen Prozesse, auf deren Hintergrund dieses Modells in Gang gesetzt wurde. Dies sind die Modelle eines der Logik des Ego-Verstandes, dem Ursache-Wirkungs-Modell und der Priorität der tätigen Veränderung (»sich regen, bringt Segen«) geschuldeten Wirklichkeitsmodells. Diese Modelle stellen ein grobes Werkzeug dar, welches darauf zielt, grobschlächtige Veränderungen im Bereich der Körperseele vorzunehmen. Was, wenn die Körperseele in ihrem Wesen viel feinstofflicher und filigraner wäre, als es die grobe Rasterung des analytischen Gehirns wahrnimmt und anderen Gesetzmäßigkeiten unterworfen ist?

Jede intentionale Berührung transportiert die Absicht des Therapeuten und erzeugt damit Druck: realen Druck auf Muskeln und Bindegewebe, aber auch Erwartungsdruck, Veränderungsdruck, Leistungsdruck.

Wir erkennen darin Ausdrucksformen der gleichen körperseelischen Mechanismen, unter denen der Klient leidet, das Syndrom seiner Selbstbeziehungsstörung. Erwartungsdruck, Veränderungsdruck, Leistungsdruck repräsentieren diejenigen Gestalten in der Seele der Klienten, welche die Selbstentfremdung, den inneren Perfektionismus, den »innerseelischen Bürgerkrieg«, also die Selbstbeziehungsstörung begründen und befeuern.

Bedeutet dies nicht gleichzeitig, dass wir mit dem Einsatz der intentionalen Berührung ihn mit einer Herangehensweise behandeln, die diese Prägungen nicht transformieren, sondern unberührt lassen oder gar zementieren? Bleibt nicht das grundlegende Selbstbeziehungsdefizit zwangsläufig unangetastet, wenn wir unseren Klienten ausnahmslos intentional berühren?

(Fortsetzung folgt)

Samstag, 17. September 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (115): Übertragen sich Botschaften in einer Berührung?

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In Zusammenhang mit der intentionalen Berührung stellten sich Fragen:

Übertragen sich Botschaften in einer Berührung? Bildet z. B. der Druck, mit dem eine Berührung ausgeführt wird, einen subtilen Aufforderungscharakter, in einer bestimmten Weise auf ihn zu reagieren, dies als Ergebnis eines Lernprozesses?

Stellen wir uns z. B. eine körpertherapeutische intentionale Berührung vor, bei der mit großem Druck an einem Muskel gearbeitet wird, ein Druck, der so groß ist, dass er von jedem Menschen als schmerzhaft empfunden werden muss. Ist es da nicht eine naheliegende Reaktion, dass sich der Schmerz in einem erleichternden Schmerzschrei äußert?

Was geschieht bei einer Berührung, wenn man einen Klient in sanfter Weise über die geschlossen Augen streicht? Ist es in einem solchen Fall nicht naheliegend, dass derartige Berührungen eher weiche frühkindliche Gefühle mobilisieren, z. B. Traurigkeit?

Wir sehen, eine - intentionale - Berührung kann durchaus einen Aufforderungscharakter enthalten. Damit in Zusammenhang ergeben sich weitere Fragen: Bedienen bestimmte Berührungen unbewusste Erwartungen von Charaktertypen bzw. sind sie Agens der Gegenübertragung? Berührt der Körpertherapeut einen Klienten mit bestimmten Persönlichkeitsanteilen unterschiedlich, d. h. z. Beispiel einen Klienten mit masochistischen Anteilen anders als einen mit oralen Mustern?

Zudem ist nicht zu überschätzen, wie stark bei Klienten die Tendenz ausgeprägt ist, Erwartungen des Therapeuten im Verlaufe des Prozesses, v. a. aber in den Anfangsphasen, zu entsprechen oder zu widerstehen. Erwartungen zu erspüren und ihnen zu entsprechen, stellt dies nicht ein Muster dar, das einen wichtigen Teil der Neurosenbildung der Kindheit bildet?

Entsprechend diesen Prägungen lernt der Klient in der Körpertherapie äußerst schnell, welche die Erwartungen seines Therapeuten sind und reagiert auf diese Erwartungen entsprechend seiner Charakterstruktur. Schlussendlich repräsentiert genau dies ist die Lernfähigkeit, die Erfolg in unserer Kultur definiert: Erwartungen zu erfühlen und sie zu verinnerlichen.

Intentionale Berührungen könnten also hier Anhaltspunkte schenken, was diese Erwartungen im einzelnen sind.

Die intentionale Berührung setzt unausgesprochen voraus, dass der menschliche Organismus denselben Gesetzen gehorcht wie eine Mechanik, wie eine Maschine, wie ein Ursache-Wirkung-Kausalzusammenhang. Wenn der Körpertherapeut diesen oder jenen Punkt drückt, diesen oder jenen Muskelansatz bearbeitet, diese oder jene Blockade löst, dann würde damit eine entsprechende Wirkung ausgelöst, energetisch oder emotional, ganz nach Lesart der körpertherapeutischen Tradition, aus der heraus dies geschieht.

Neben dem mechanistischen Aspekt, der in diesem Modell enthalten ist, ist hier noch ein scheinbar marginaler Nebeneffekt zu benennen, der mir aber entscheidend für eine Transformation der Körperseele zu sein scheint: der Faktor Zeit.

(Fortsetzung folgt)

Sonntag, 11. September 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (114): Das Phänomen der intentionalen Berührung

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Eines der Hemmnisse auf dem Weg zur seinsorientierten Körperarbeit bildete die in der Körpertherapie verwurzelte Tradition der intentionalen Berührung, also der Berührung mit der Intention eine bestimmte Wirkung oder Reaktion zu erzielen.

Die intentionale Berührung entstammt der Tradition einer mechanistisch geprägten Naturwissenschaft und Medizin, in welcher sich die analytischen Qualitäten des Ego-Verstands leicht mit einer praktischen Berührung vermischen. Oder, kurz gesagt, eine bestimmte Verstandes-Logik wird zum Träger der Berührungsinformation.

Berühren, »um zu«, beschreibt einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, der in einer mechanistisch-technischen Medizin durchaus Sinn macht, aber im Kontext tieferer seelischer und energetischer Prozesse zumindest diskussionswürdig erscheint.

Diese mechanistischen Traditionen der Körpertherapie, wie sie z. B. in Zusammenhängen erscheinen, mithilfe bestimmter Massagetechniken (= Ursache) eine bestimmte Reaktion oder emotionale Reaktion (= Wirkung) zu erzeugen, übersehen, dass sie allein diagnostisch-analytischen Vorstellungen und Konstrukten des Ego-Verstandes entstammen und dementsprechend eingeschränkt sind. Auf diesem Hintergrund könnte auch ihre befreiende, transformatorische Wirkung eingeschränkt bleiben, da die in ihre enthaltene Schattenwelt im Dunkeln bleibt.

Selbst Reich, ein scharfsinniger Kritiker mancher Begrenzungen mechanistischer Herangehensweisen, übersah Konsequenzen, welche die in der intentionalen Berührung enthaltene latente Absicht, eine bestimmte Wirkung zu erzielen, nach sich ziehen können.

Betrachten wir dieses Phänomen genauer:

In meiner Praxis als Körpertherapeut fiel mir irgendwann auf, dass Klienten mit körpertherapeutischen Vorerfahrungen in anderen körpertherapeutischen Verfahren und Schulen typische Verhaltens- und Bewegungsmuster zeigten, die typisch für eine bestimmte körpertherapeutische Herangehensweise waren. Dies galt auch im Zusammenhang mit allen Atem- und Berührungstechniken. Das heisst, eine bestimmte, klar definierte Berührung rief bei Klienten mit Vorerfahrungen und Prägungen durch bestimmte Körpertherapieschulen unterschiedliche Reaktionsmuster hervor.

Was bedeutete diese Beobachtung?

(Fortsetzung folgt)

Donnerstag, 8. September 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (113): Basiserfahrungen lebendigen Halts

Foto: Pixabay
Als Körpertherapeuten wissen wir, und dies ist ja bereits ausführlich erörtert worden, dass über Körperkontakt und die Qualität einer Berührung permanent Informationen ausgetauscht werden. Es ist also naheliegend, dass dieser Informationsaustausch nicht nur über die Nabelschnur und hormonell, sondern auch über andere physiologisch-energetische Vernetzungen erfolgen.

Einem Aspekt, dem ja hier unsere besondere Aufmerksamkeit gilt, sind die Herzcode-Informationen, die sich über diesen Kontakt übertragen. Welche Qualitäten von Gefühlsanklang, Zuwendung, Einstimmung übertragen sich in der pränatalen Halterfahrung? Um es banaler auszudrücken: Findet das Ungeborene in seinem uteralen Lebensraum überwiegend das Licht der Liebe, liebevollen Halt und Bindung vor, oder Angst, Stress und Kontaktlosigkeit aufgrund der seelischen Verfassung der Schwangeren?

Bevor ein Mensch geboren wird, hat er also das körperliche Grundmuster eines konstanten lebendigen Halts in seinem Rücken erfahren. Diese pränatale Matrix bildet naheliegenderweise das Erwartungsmuster von Halt im allgemeinen und differenziert sich im Laufe der Entwicklung in die bereits dargestellten Grundmuster des mütterlichen und des väterlichen Halts in der postnatalen Entwicklung.

Der uterale Halt erweist sich auch deshalb als Grundform der menschlichen Halterfahrung. Denn er umfasst sowohl die Qualität des Rückhalts als Grundmuster des väterlichen Halts als auch die Qualität der verschmelzenden Bindung über die Plazenta als das Grundmuster des mütterlichen Halts. Im uteralen Halt könnten sich somit Basiserfahrungen und Weichenstellungen der Polaritäten von Autonomie und Bindung verbergen.

Welche praktischen Konsequenzen diese Zusammenhänge für die Berührungsqualitäten der seinsorientierten Körpertherapie besitzen, darauf richten wir im Folgenden unsere Aufmerksamkeit.

(Fortsetzung folgt)

Sonntag, 4. September 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (112): Halt in der vorgeburtlichen Entwicklung

Foto: pixarbay
Der uterale Halt kann als die Matrix, als die Urform jeder Halterfahrung verstanden werden. Halten wir uns den Lebensraum des Fötus in den letzten Monaten seines pränatalen Lebens vor Augen, wird deutlich, dass sich sein Rücken die meiste Zeit über in direktem Kontakt zur Gebärmutterwand befindet. Mit der wachsenden Enge im Uterus in den Wochen vor der Geburt intensiviert sich dieser Kontakt Rücken-Gebärmutterwand noch, wird und bleibt konstant bis zur Geburt.

Die Gebärmutterwand erweist sich in dieser Phase als ein lebendiges, pulsierendes System, das auf der physiologischen und auf der bio-energetischen Ebene in ständigem Kontakt, in ständigem Austausch mit dem Fötus steht. Diese erste, grundlegende Prägung des uteralen Halts weist neben der Eigenschaft der Konstanz auch die Qualität einer energetisch-pulsierenden, rhythmischen Präsenz auf. Darüber hinaus werden auf diesem und auf anderen Wegen durchgängig Informationen aus der Empfindungswelt der Schwangeren und des Fötus ausgetauscht.

„Gefühlszustände ... haben auch eine physiologische Basis: Sie zeigen sich z.B. in hormonellen Veränderungen im Blut, in der Qualität der Sauerstoffzufuhr und in den Veränderungen der Herzfrequenz. Wenn sich die Mutter z.B. ängstlich fühlt, werden vermehrt Stresshormone wie Adrenalin und Kortisol ausgeschüttet. (...) Alle Stresshormone überschreiten ohne Probleme die Plazentaschranke und stimulieren im Fötus die physiologische Reaktion auf genau dieses Gefühl von Angst und Furcht. Ob das Kind daraufhin Angst ‚erlebt‘, wissen wir nicht. Wenn man seine Reaktion im Ultraschall beobachtet, dann bekommt man allerdings den Eindruck, dass sein kleiner Körper in gewisser logischer Weise auf diesen ‚Angstreiz‘ reagiert. So wird von Föten berichtet, die unter solchen Bedingungen erstarren, andere strampeln wild um sich. Das ungeborene Kind ist eben ‚immer dabei‘ – es ist Teil des emotionalen Lebens der Mutter.“(*FN*    Hüther, G. und Krens, I.: Das Geheimnis der ersten neun Monate – Unsere frühesten Prägungen. Beltz, Weinheim, 4. Auflage 2011, S. 111*FN*)

Bettina Alberti verweist auf Forschungen der Pränatalmedizinerin Jeanette di Pietro, John Hopkins Universität, Baltimore, und schreibt: „Bei Ultraschallaufnahmen zeigt das vorgeburtliche Kind schon bei belastenden Gedanken der Mutter eine deutliche körperliche Reaktion. Seine Bewegungen nehmen zu, der Herzschlag erhöht sich sofort – viel zu früh für eine rein hormonelle Reaktion, die einige Sekunden dauern würde.“(*FN*    Alberti, Bettina: Die Seele fühlt von Anfang an: Wie pränatale Erfahrungen unsere Beziehungsfähigkeit prägen, Kösel-Verlag, S. 76*FN*)

Es kann davon ausgegangen werden, dass die Kommunikation zwischen Schwangerer und Fötus auf der bio-emotionalen Basis multifaktoriell stattfindet.

(Fortsetzung folgt)

Freitag, 2. September 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (111): Die 3 Varianten des Halts in der körpertherapeutischen Praxis

Foto: vkd
Ein Unterschied der seinsorientierten Körpertherapie zu anderen körpertherapeutischen Traditionen besteht, wie der Name andeutet, in der ausdrücklichen Orientierung auf die Seinsebene. Seinsorientiert ist nicht nur eine spirituelle Grundhaltung, sondern auch eine ganz praktische Herangehensweise in der körpertherapeutischen Arbeit selbst.

Eine grundlegende Botschaft, ausgesprochen in Worten und unausgesprochen in der therapeutischen Grundhaltung, mit der jeder Klient von Beginn an und immer wieder vertraut wird, lautet:

»Du bist nicht hier, um irgendetwas zu leisten, irgendetwas richtig oder falsch zu machen, irgendwelchen Erwartungen zu entsprechen. Es geht darum, dass du einfach da bist, ohne etwas zu tun, zu machen, zu leisten. Du bist so, wie du bist, und um deiner selbst willen willkommen.«

Diese Botschaft hat technische Konsequenzen auf der Ebene der körpertherapeutischen Herangehensweise. Denn diese orientiert sich, auch auf Seiten des Therapeuten, an der Seinebene. Der seinsorientierte Körpertherapeut ist nicht in erster Linie „Macher“ oder mit dem Machen, auch im Sinne des Intervenierens und Analysierens, identifiziert. Vielmehr zeichnet er sich durch eine besondere Art von Präsenz und Haltung aus.

In seiner Präsenz und Haltung verbinden sich so Anteile von Selbstverbundenheit und mit denen objektbezogener Bindungsangebote. Beide sind Voraussetzungen für einen energetischen Kontakt, innerhalb dessen sich Herzcode-Informationen austauschen können.

Wir hatten im vorangegangenen Abschnitt die Begrifflichkeiten des mütterlichen und väterlichen Halts eingeführt und können diese nun spezifizieren. Der mütterliche Halt vermittelt demnach Erfahrungen des Gehaltensseins vor allem auf der Vorderseite des Körpers (Berührung, Umarmung, Bauch-Bauch-Kontakt, Brust-Brust-Kontakt). Der mütterliche Halt ist auf der energetischen Ebene bindungs- und verbindungsorientiert.

Der väterliche Halt setzt an der Rückseite des Körpers an und ist in der Berührungsqualität in gewisser Weise etwas distanzierter, ohne jedoch distanziert zu sein (Berührung, Rück(en)halt, Anlehnen im Brust/Bauch-Rücken-Kontakt). Väterlicher Halt gibt Raum und unterstützt autonome Bewegungsimpulse. Der väterliche Halt ist auf der energetischen Ebene autonomieorientiert.

Die dritte und fundamentalste Qualität des Halts in der seinsorientierten Körpertherapie ist der uterale Halt, der aus die erste Halterfahrung zurückgeht, den jeder Mensch in seiner pränatalen Entwicklung durchlaufen hat: Der Halt, welche die Wand der Gebärmutter dem Rücken des Fötus schenkt.

(Fortsetzung folgt)

Dienstag, 30. August 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (110): Halt und Entschleunigung


Foto: vkd

Wenn wir uns vor Augen führen, dass Klienten in der Regel in ihrer frühkindlichen und späteren Entwicklung derartige Erfahrungen von Halt nicht ausreichend machen konnten, dann wird klar, wie wirkungsvoll eine positive oder negative Halterfahrung für Entwicklungen im Transformationsprozess sein dürfte.

Diese Mangelerfahrung stellt sich nicht nur als Mangel an Körperlichkeit, Kontakt und Zuwendung dar, sondern enthält auch defizitäre Erfahrungen von Entschleunigung, um einen Modebegriff zu verwenden. Im Halten und Gehaltenwerden betreten wir eine Insel der Präsenz und der Beruhigung inmitten des Sturms eines von Daueraktivität und Hektik bestimmten Lebens.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass Defizite von Halt, Ruhe und Entspannung in der Mutter-Kind-Dyade Spuren in Körper und Seele hinterlassen und die Körperseele prägen. Dass Halt- und Ruhelosigkeit längst den Bereich der Säuglingsphase und frühen Kindheit erreicht haben, lässt sich an manchen modernen Symptomen ablesen, wie z. B. das Schreibaby-Syndrom, das ADHS-Syndroms und dir eklatante Zunahme der sog. frühen Störungen.

Es ist naheliegend, dass in vielen Fällen Menschen mit unterschiedlichen Themen den transformatorischen Weg (hiermit sind sowohl psychotherapeutische als auch spirituelle Pfade der Selbstveränderung gemeint) gerade deshalb beschreiten, weil sie unbewusst nach Halt, Ruhe und Sicherheit suchen, die sie in ihrer frühkindlichen Entwicklung nur unzureichend machen konnten.

Defizite an Halt zeigen sich in unterschiedlichen Ausprägungen von Haltlosigkeit. Diese manifestieren sich typischer Weise in Unsicherheit und Orientierungslosigkeit: im Bereich Liebe und Sexualität, in sozialen Beziehungen, in Beruf und Lebensperspektive.

Zentrales Anliegen der seinsorientierten Körpertherapie ist es, diese nicht geschlossen Kreise mangelnder Halterfahrung auf der energetischen und symbolischen Ebene zu schließen. Neben dem Aspekt des „haltenden Halts“ spielt in der körpertherapeutischen Arbeit die Dualität von Energie und Berührung, von energetischer Information und der haltenden Berührung selbst, eine zentrale Rolle. Wie dies in der praktischen körpertherapeutischen Arbeit aussieht, davon soll im Folgenden die Rede sein.

(Fortsetzung folgt)