Freitag, 28. Januar 2022

 Wege zur Hingabe des Herzens

Das Elysium aus Leib und Seele singen

Annäherungen an das Phänomen
Diana Ankudinova (letzter Teil)


In der Präsenz von Körpersprache und Stimme von Diana Ankudinova scheinen jene archetypischen Qualitäten auf, die ich als »transpersonalen Herzcode« bezeichne. Gemeint sind damit jene Anteile des Selbst, die über die individuelle Persönlichkeit hinausgehen (»personaler Herzcode«). Unter dem »Herzcode« verstehe ich die über Zeit- und Raumgrenzen hinweg emittierten personalen oder transpersonalen Informationen, die sich mit anderen Herzen verbinden können. Subjektiv wird Dianas Reichtum an »transpersonalen Herzcode-Informationen« von den Kommentatoren als »schamanistisch«, »archaisch« oder »tribalistisch« interpretiert, spiegelt sich angeblich in der mehrstimmigen Qualität ihrer Gesangskunst.

Auf diesem Hintergrund kann sie als archetypische Göttinnengestalt, als archaische Gestalt weiblicher Schönheit, Hingabe und Kraft erscheinen, als die spirituelle und organismische Wahrhaftigkeit des Weiblichen, die Teil des kollektiven Unbewussten repräsentieren. In ihrem strahlenden Lächeln am Ende des Vortrags scheint nochmals jene weibliche Süße auf, die nicht nur den männlichen Zuschauer verzaubert.

Das Video von »Can’t Help falling in Love« hat innerhalb weniger Tage viele Dutzend der erwähnten »Reaction-Videos« erzeugt, die eines gemeinsam haben: Die absolute Begeisterung über Dianas Präsentation, aber auch Sprachlosigkeit, wenn es darum ging, die eigene Fassungslosigkeit dem Publikum zu erklären.

Noch ein paar ergänzende Bemerkungen zu den »Reaktoren«: Sie sitzen häufig da mit offenem Mund, hochgezogenen Augenbrauen, aufgerissenen Augen, stumm, nach Worten ringend, manche geben den Versuch auf. Andere erwachen nur langsam aus ihrer Trance, beenden ihre Aufnahme ohne weiteren Kommentar.

Was daran liegt, dass es offenbar keine Begriffe auf der technisch-musikalischen Ebene gibt, die ausreichen, um die Wirkung von Diana auf die Zuhörerinnen begreiflich zu machen. Es manifestiert sich in Formulierungen wie »nicht von dieser Welt«, »das gibt es nicht, das kann keine menschlichen Stimme sein« usw. Kurzum, den »Reactors« gehen die Termini aus, es ist amüsant zu sehen, wie manch Dampfplauderer unter ihnen um Worte ringt, denn die Reaktionen bleiben meist in der Sprachlosigkeit stecken, nur Mimik und Gestik überwintern. Diese zeigen Verzückung, Anbetung, in jedem Fall tiefe Berührung und Begeisterung. Häufige Worte lauteten »My God« oder »mesmerizing«.

»My God« bleibt, wenn der Verstand, all seine Worte und Erklärungen nicht mehr greifen. Es geschieht im Augenblick der Ekstase, der Verzückung, der emotionalen Erschütterung. Die Anrufung Gottes erwacht reflexartig, wenn jenseits aller Gedankenkonstrukte und Analysen, jenseits von Attitüde und Eitelkeit, nur die spirituelle Dimension bleibt.

Mit der in der englischen Sprache häufig benutzten Begrifflichkeit »mesmerizing« (übersetzt: »hypnotisierend«) hat es eine besondere Bewandtnis. Denn das Wort geht zurück auf Franz Anton Mesmer, der in diesem Buch weiter oben Erwähnung fand. (vgl. Kap. 4.10 Mesmer, Katharsis und Trance)

Es steht er symbolisch für eine energetische Betrachtung der Naturvorgänge, die das naturwissenschaftlich-analytische Modell, in ähnlicher Weise wie Wilhelm Reich (1897 – 1957) um eine ganzheitliche Dimension erweiterte. Der »animalische Magnetismus« von Mesmer, ebenso der »Orgon«-Begriff von Reich, bilden die westlichen Gegenstücke für den Lebensenergiebegriff anderer Kulturen, wie z. B. Prana, Ki, Chi, Mana, Wakan usw., in denen das Göttliche aufscheint. Sie öffnen damit das Tor zur geistigen Welt, zum Elysium, und genau das beschreibt das Phänomen Diana Ankudinova und ihre Gesangskunst: Sie öffnet das Tor zum Elysium.

Viele Menschen, die Diana erleben, verlieren im wahrsten Sinne für einige – selige – Augenblicke ihren Verstand, geraten sichtbar in einen Trancezustand.

Insbesondere, wenn man es gewohnt ist, mit dem Verstand neuen Erfahrungen zu begegnen, scheint die emotionale Intensität von Ankudinovas Gesangskunst die Ressourcen des jeweiligen Zuschauers zu überfordern. Dies löst eine Art »Schreckstarre« aus. Auf einer tieferen Ebene verweist dieser Prozess auf jene Dimension, in der die Denkmaschine, das Hamsterrad der Gedankenproduktion für einige Momente zur Ruhe finden. Augenblicke innerer »Gedankenlosigkeit«, wie sie durch Meditation oder in Trancezuständen angesteuert werden, erfrischen nicht nur das Gehirn, sondern »erleichtern« die Selbst- und Weltwahrnehmung von dem Zwang, für alles Analysen, Begriffe und Urteile parat zu haben. Nur Staunen, Verzückung und Versunkenheit bleiben.

Die Gesangskunst Diana Ankudinovas entstammt ihrer Gabe, sich auf der Bühne den Gefühlen ihres Herzens hingebungsvoll zu öffnen, ihnen authentisch Ausdruck zu verleihen. Damit berührt und bewegt sie jene transpersonalen Seelenanteile, die wir alle in uns tragen. Diana Ankudinovas verweist auf das Verbindende in den Herzen ihres Publikums. Sie erinnert uns daran, dass wahrhaftige Kunst dadurch sich in dieser Weise als Kunst des Wandels, der Veränderung, der Transformation gestaltet.


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