Sonntag, 1. November 2020

SEINSORIENTIERTE KÖRPERERFAHRUNG (277): Was erfüllte Liebe im Leben?

 

foto: vkd

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Bindungsforschung bot Antworten an, die über das Triebmodell hinausgingen. Dass der Mensch ein Bindungswesen war, konnten Forscher seit John Bowlby eindrucksvoll zeigen.

Menschliche Bindungsbedürfnisse, insbesondere in der frühkindlichen Entwicklung, gebärdeten sich dermaßen ausgeprägt, dass die Bindungsimpulse selbst dann keinen Schaden nahmen, wenn sie auf eine eingeschränkte Liebesfähigkeit trafen. Was den berühmte »Normalfall« darstellte, nach dem gern geurteilt wurde. In den Persönlichkeitsstrukturen von Kindern und Erwachsenen waren Bindungsdefizite leicht erkennbar, prägten das Beziehungsverhalten bis zum Ende des Lebens.(vlg. hierzu. Brisch, Karl Heinz).

Die moderne Säuglingsforschung, die Daniel Stern begründete, gab ebenso zahlreiche Hinweise auf das bindungsorientierte und spontan soziale Wesen des Babys. Sie lieferte diagnostische Anhaltspunkte für Störungen in der Mutter-Kind-Interaktion und daraus resultierende Einflüsse auf die Persönlichkeitsentwicklung des Menschen.

Die Phänomenologie der Liebe als menschliche Bindungs- und Sozialkompetenz wurde eindrucksvoll beschrieben. Die hormonellen, biochemischen Vorgänge der sexuellen Fortpflanzung präsentierten sich als sorgfältig erforscht, einleuchtend und reproduktionsfähig. Seit Ende der 70er Jahre ermöglichte es die Wissenschaft, Babys durch künstliche Befruchtung, die sog. »In-vitro-Fertilisation«, auf die Welt zu bringen. Schaute man genauer hin, dann wurde deutlich, dass 45% der auf diese Weise erzeugten Kinder häufiger mit einem Herzfehler oder anderen körperlichen Risiken geboren wurden.(Brendler, Michael: Ein Risiko bleibt – 7 Millionen Kinder weltweit verdanken ihr Leben der künstlichen Befruchtung – mit erhöhter Gefahr von Fehlbildungen und Herzfehlern. In: Berliner Zeitung, Nr. 172, 27. Juli 2020, S. 23) Hatte man hier ein wichtiges Element übersehen?

Die Frage, was all diese Prozesse bestimmte, steuerte und zusammenhielt, die energetische, informelle Quelle der Liebespotentiale, die den Menschen prägte, ein Leben lang bewegte, all dies erschien mir mechanistisch, unzusammenhängend, diffus, am Wesentlichen vorbeigehend.

Von welcher Vitalität musste Liebe sein, wenn sie als Bindungsimpuls in frühester Kindheit, trotz aller Widrigkeiten, umfänglich wirkte? Im Leben von Jugendlichen und Erwachsenen drängte sich die erwachende genitale Sexualität mit Macht in den Vordergrund. Sie konnte mit überwältigenden seelischen Erschütterungen verbunden sein. Oder mit emotionaler Abwehr, Distanz, Kälte. Verwies dies nur auf die frühen Bindungserfahrungen, traten weitere Faktoren hinzu? Existierten hier geschlechtsspezifische Unterschiede?

Viele Fragen. Ich fühlte mich auf der Spur, aber empfand keine innere Klarheit, sondern diffuse, teilweise widersprüchliche Wahrnehmungen.

Neben prägenden Erfahrungen, intuitiven Erkenntnissen und Impulsen durch die Sichtweisen anderer Menschen erwirkten Bücher Anregungen für eine neue Beziehung zum Leben. Vorausgesetzt, sie lösten einen verändernden, »verrückten« Blick auf etwas aus, was still im Inneren arbeitete: Am Ende entfaltete der Schmetterling, der aus der Puppe kroch, seine Flügel, um sich auf den Weg zu begeben.

Einst fiel Wilhelm Reichs Funktion des Orgasmus auf den fruchtbaren Boden meiner Suche. 30 Jahre später traf ich auf ein Buch, das mich in ähnlicher Weise inspirierte: "Heilung aus dem Herzen – die Körper-Seele-Verbindung und die Entdeckung der Lebensenergie" des Psychoneuroimmunologen Paul Pearsall.

Pearsall gab eine naheliegende, einfache Antwort, fütterte sie mit umfangreichem empirischen und wissenschaftlichen Material. Seine Theorie benannte als Quelle und Instrument jeder Verbindung und Bindung das Herz, das ubiquitäre menschliche Organ der Liebe.

(Fortsetzung folgt)

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