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Die Bindungsforschung bot Antworten an, die über das Triebmodell
hinausgingen. Dass der Mensch ein Bindungswesen war, konnten Forscher
seit John Bowlby eindrucksvoll zeigen.
Menschliche
Bindungsbedürfnisse, insbesondere in der frühkindlichen Entwicklung,
gebärdeten sich dermaßen ausgeprägt, dass die Bindungsimpulse selbst
dann keinen Schaden nahmen, wenn sie auf eine eingeschränkte
Liebesfähigkeit trafen. Was den berühmte »Normalfall« darstellte, nach
dem gern geurteilt wurde. In den Persönlichkeitsstrukturen von Kindern
und Erwachsenen waren Bindungsdefizite leicht erkennbar, prägten das
Beziehungsverhalten bis zum Ende des Lebens.(vlg. hierzu. Brisch, Karl
Heinz).
Die moderne Säuglingsforschung, die Daniel Stern
begründete, gab ebenso zahlreiche Hinweise auf das bindungsorientierte
und spontan soziale Wesen des Babys. Sie lieferte diagnostische
Anhaltspunkte für Störungen in der Mutter-Kind-Interaktion und daraus
resultierende Einflüsse auf die Persönlichkeitsentwicklung des Menschen.
Die
Phänomenologie der Liebe als menschliche Bindungs- und Sozialkompetenz
wurde eindrucksvoll beschrieben. Die hormonellen, biochemischen Vorgänge
der sexuellen Fortpflanzung präsentierten sich als sorgfältig
erforscht, einleuchtend und reproduktionsfähig. Seit Ende der 70er Jahre
ermöglichte es die Wissenschaft, Babys durch künstliche Befruchtung,
die sog. »In-vitro-Fertilisation«, auf die Welt zu bringen. Schaute man
genauer hin, dann wurde deutlich, dass 45% der auf diese Weise erzeugten
Kinder häufiger mit einem Herzfehler oder anderen körperlichen Risiken
geboren wurden.(Brendler, Michael: Ein Risiko bleibt – 7 Millionen
Kinder weltweit verdanken ihr Leben der künstlichen Befruchtung – mit
erhöhter Gefahr von Fehlbildungen und Herzfehlern. In: Berliner Zeitung,
Nr. 172, 27. Juli 2020, S. 23) Hatte man hier ein wichtiges Element
übersehen?
Die Frage, was all diese Prozesse bestimmte, steuerte
und zusammenhielt, die energetische, informelle Quelle der
Liebespotentiale, die den Menschen prägte, ein Leben lang bewegte, all
dies erschien mir mechanistisch, unzusammenhängend, diffus, am
Wesentlichen vorbeigehend.
Von welcher Vitalität musste Liebe
sein, wenn sie als Bindungsimpuls in frühester Kindheit, trotz aller
Widrigkeiten, umfänglich wirkte? Im Leben von Jugendlichen und
Erwachsenen drängte sich die erwachende genitale Sexualität mit Macht in
den Vordergrund. Sie konnte mit überwältigenden seelischen
Erschütterungen verbunden sein. Oder mit emotionaler Abwehr, Distanz,
Kälte. Verwies dies nur auf die frühen Bindungserfahrungen, traten
weitere Faktoren hinzu? Existierten hier geschlechtsspezifische
Unterschiede?
Viele Fragen. Ich fühlte mich auf der Spur, aber
empfand keine innere Klarheit, sondern diffuse, teilweise
widersprüchliche Wahrnehmungen.
Neben prägenden Erfahrungen,
intuitiven Erkenntnissen und Impulsen durch die Sichtweisen anderer
Menschen erwirkten Bücher Anregungen für eine neue Beziehung zum Leben.
Vorausgesetzt, sie lösten einen verändernden, »verrückten« Blick auf
etwas aus, was still im Inneren arbeitete: Am Ende entfaltete der
Schmetterling, der aus der Puppe kroch, seine Flügel, um sich auf den
Weg zu begeben.
Einst fiel Wilhelm Reichs Funktion des Orgasmus
auf den fruchtbaren Boden meiner Suche. 30 Jahre später traf ich auf ein
Buch, das mich in ähnlicher Weise inspirierte: "Heilung aus dem Herzen –
die Körper-Seele-Verbindung und die Entdeckung der Lebensenergie" des
Psychoneuroimmunologen Paul Pearsall.
Pearsall gab eine
naheliegende, einfache Antwort, fütterte sie mit umfangreichem
empirischen und wissenschaftlichen Material. Seine Theorie benannte als
Quelle und Instrument jeder Verbindung und Bindung das Herz, das
ubiquitäre menschliche Organ der Liebe.
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