Oben beschriebene Erfahrungen zeigen, wie spezifische
Blockierungsmuster zwischen Herz und Genitalien sich auf das Liebeserleben des
Menschen auswirken können. Es mag an dieser Stelle deutlich werden, dass gerade
die Leugnung dieser fundamentalen Wechselbeziehung Hintergrund für die
augenfällige Verwirrung im Liebeserleben des modernen Menschen ist.
Es ist naheliegend und offensichtlich, dass das der moderne
Mensch in seinem Verständnis dessen, was sexuelle Liebe ist, Kind seiner Kultur
ist. Das, was den Menschen unseres Kulturkreises wesentlich erscheint, prägt
auch seine sexuelle Liebe:
- · Arbeit, Anstrengung
- · Leistung, Messbarkeit
- · Primat des Verstandes
- · Vergegenständlichung
- · Repräsentation
Sexuelle Liebe wird in der Regel als ein „Akt“, eine
Tätigkeit, eine Anstrengung betrachtet und wahrgenommen. So wie die Arbeit als
solche in unserem Kulturkreis in der Tradition des christlichen Protestantismus
als „Gottesdienst auf Erden“ verstanden wird (siehe die ersten Abschnitte von „Herz und Halt“) und als
Vorbereitung auf die Jenseitigkeit, so erscheint der Liebesakt als solcher: je
härter ich arbeite, je mehr ich mich anstrenge, desto verheißungsvoller scheint
die Belohnung (der Orgasmus) am Ende auf.
Leider klappt es nach dieser Logik nicht so gut wie bei der
Arbeit an der Maschine, deshalb sind Orgasmusschwierigkeiten in der
Partnerschaft trotz aller Anstrengung ein Hinweis darauf, dass irgendetwas mit
diesem Ansatz falsch laufen muss.
In den Darstellungen des Liebesaktes in Film und Fernsehen fehlen
selten Belege solcher Anstrengung wie z. B. schweißgebadete Körper, schweres
Atmen oder Atemlosigkeit. Hat sich ein Paar sexuell geliebt, dann erinnern ihre
Körper bisweilen an einen Marathonläufer nach km 30.
Sind solche Darstellungen weit von der durchschnittlich
gelebten Realität entfernt? Wahrscheinlich nicht. Die Grundhaltung, den
sexuellen Liebesakt als Tätigkeit, Arbeit und Anstrengung zu betrachten, ist seit
frühester Kindheit tief in die Persönlichkeitsmuster unserer Gesellschaft eingraviert.
(Fortsetzung folgt)
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