Montag, 2. Mai 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (88): Quelle der Sehnsucht


Diese Eigenschaften des energetischen Kontakts präzisieren jenen inflationär verwendeten Begriff des „Kontakts“, der immer dann verwendet wird, wenn etwas Wesentliches aus- gedrückt werden will, aber die Worthülse vorgezogen wird. Selbst Reich, dessen besonderes Verdienst es war, darauf hingewiesen zu haben, dass es zwischen Menschen ein Phänomen, das er als „orgonotischen Kontakt“ bezeichnete, überhaupt gibt, ging meines Wissens nicht näher darauf ein, was denn das Spezifische und die konstituierenden Elemente dieser Kontakt- Definition sind.

Die zentrale Bedeutung dessen, was im Therapeuten gefühlsmäßig anklingt und als energetisches Informationsmuster mittels Einstimmung und Berührung übertragen wird, illustriert die Therapeutenweisheit, dass wir den Klienten nur dorthin begleiten können, wo wir selbst schon einmal waren.

Noch eine weitere, ebenso weise Anschauung erhält ihre neue Akzentuierung: Nur das, was ich in mir selbst gefühlsmäßig anklingen (und auch im nächsten Augenblick wieder verklingen) lassen kann, habe ich als Therapeut zur Verfügung, ohne dass es mich hat, d. h. mich in meinen eigenen Regressionen verliere. Nur dann, wenn ich jederzeit ein- und auch wieder auftauchen kann aus dem Herzcode-Strom, ist die Voraussetzung gegeben, auch in die Herzcode-Ströme anderer Menschen einzutauchen und diese wahrzunehmen und zu würdigen, was sie sind – tiefster Ausdruck des transpersonalen Selbst.

Diese Elemente des energetischen Kontaktes lassen sich, wie gesagt, zunächst auf dem Feld der Körpertherapie beobachten.

Aber der energetische Kontakt scheint, jetzt bewege ich mich auf das glatte Eis der Spekulation, darüber hinaus von großer Bedeutung für das Verständnis grundlegender menschlicher Interaktionsprozessen zu sein. Meine These ist, dass der energetische Kontakt die postnatale Nabelschnur darstellt, die uns, wenn wir Geborene sind, geschenkt wurde, um aus den Tiefen des Herzcode-Stroms Verbindung und Bindung mit anderen Menschen und Lebewesen zu (er)leben.

Möglicherweise könnte die Nabelschnur des energetischen Kontaktes die Quelle aller Sehnsucht, der tiefe Gehalt jeder Regression und jener Verschmelzungswünsche repräsentieren, die Freud als „ozeanisches Gefühl“ und Reich als „kosmische Sehnsucht“ bezeichnete.

(Fortsetzung folgt)

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