Freitag, 6. Mai 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (89): Die Urerfahrung des energetischen Kontakts


Hier bewegen wir uns an der Schnittstelle dessen, was die natürliche Spiritualität des Menschen ausmacht. Jene aus der Tiefe des transpersonalen Selbst entspringenden Bedürfnisse weisen über die  die gehirndominierte Rationalität des herrschenden Weltbildes hinaus in eine andere Wirklichkeit der Seinsverbundenheit. Die traditionelle Trennung von Physik und Metaphysik erhält im Zusammenhang mit dem Phänomen des energetischen Kontakts eine erweiterte Bedeutung:

Es sind 3 fundamentale Daseinselemente, die, und sei es in noch so verzerrter Form, das Seelenleben des Menschen weitgehend bestimmen: Liebe, Sexualität, Bindung. Naheliegend ist, dass der wahrhaftige, d. h. die Tiefe unseres Herzens berührende Kontakt diejenige Erfahrung ist, die wir ein Leben lang suchen. Eine Erfahrung, die wir in Bindung und Verbindung, in Liebe und Sexualität suchen und die wir dort – in glücklichen Augenblicken von Präsenz – finden und wiederfinden?

Wiederfinden kann man nur etwas, was verloren gegangen ist. Verloren gegangen ist die Urerfahrung von Bindung und Verbindung, von Liebe und umfassender Lust, wie sie jeder Mensch in mehr oder weniger deutlicher Ausprägung in seiner vorgeburtlichen Entwicklung erfahren hat. Wie auch immer diese Erfahrung war, eines ist gewiss: Die pränatale Entwicklung lässt sich charakterisieren als eine Phase des intensivsten energetischen Verbunden-Seins mit einem anderen Menschen, der Mutter, in der gesamten Entwicklung, lange vor der Sprache, lange vor dem Denken. Eine Entwicklungsphase der intensivsten Sinnlichkeit, Offenheit und Empfänglichkeit für die Informationen der umgebenden Lebensumwelt, dem Mutterleib. Eine Entwicklungsphase der vollständigen Hingabe.
  
Könnte nicht die Anziehung, die Leidenschaft, die Macht, aber auch die Verwirrung und Verirrung, die die menschliche Sexualität dominiert, von diesem Geheimnis bestimmt sein: Dass ihre Magnetkraft in Wahrheit die Magnetkraft unserer Sehnsucht nach diesem umfassenden energetischen Kontakt und der vollständigen körperlichen und seelischen Hingabe repräsentiert? Dass Sexualität dort erfüllend, befriedigend und von tiefer Liebe und Bindung getragen ist, wo sie sich mit dieser Erfahrungswelt verbindet?

Besteht das Geheimnis der genitalen Orgasmusfunktion nicht allein, wie der frühe Wilhelm Reich glaubte, in der „Entladung überschüssiger Energiepotentiale“, sondern auch, auf einer tieferen Ebene, in der Funktion der Wiederherstellung des ursprünglichen energetischen Kontakts mit einem anderen Menschen, also der Wiederbegegnung mit einer energetischen Seinsebene, die tief in allen Menschen angelegt ist?

(Fortsetzung folgt)

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