Es gibt ein Phänomen, das die oben erörterten Wirkkräfte in anschaulicher Weise zusammenführt und auf den Punkt bringt: Halt.
Der Halt, den ein Mensch in sich selbst findet (Selbsthalt),
der Halt, der ihm seinen Lebensumwelt gibt (sozialer Halt) und schließlich der
Halt, der ein Therapeut seinem Klienten in der Lage zu geben ist.
Die verschiedenen Aspekte des Halts erwuchsen so im Laufe der Jahre zur naheliegenden Antwort auf
die Frage nach dem therapeutischen Agens; und ebenso zur Alternative für die
therapeutische Attitüde des „Machens“ eingangs aufgeführten Sinne. Denn wenn Halt für die Entwicklung und das Sein des Menschen von grundlegender Bedeutung ist, wäre es doch naheliegend, diesem in seinen therapeutischen und transformatorischen Entwicklungsprozessen angemessenen Raum zu geben. Dies ist der Grundgedanke der "seinsorientierten Haltearbeit", auf die ich noch ausführlich zu sprechen kommen werde.
Halt beschreibt nicht nur die Erfahrung „gehalten zu werden“
und die Wahrnehmung „gehalten zu sein“, Halt beschreibt ebenso den
grundlegenden physio-psychischen Vorgang von Geborgenheit, Bindung und Liebe, eine
prägende Erfahrung, die weit in die Entwicklung des Einzelnen, in die
Ontogenese und in die pränatale Phase zurück reicht und dort ein Paradigma für das seelische und organismische
Wohlbefinden ist.
Der Psychoanalytiker Winnicott hat diese Verbindung zwischen
Halt und Geborgenheit für die Tiefenpsychologie erschlossen:
„Manchmal bedeutet Geborgenheit einfach, gut gehalten zu werden.
Sowohl physisch als auch in subtilerer Weise hält die Mutter (die Umwelt) den
Säugling zusammen, und Unintegriertheit kann wie Reintegration auftreten, ohne
dass Angst entsteht.” (Winnicott 1984, S. 13)
Wir können davon ausgehen, dass die Erfahrung „gehalten zu
werden“, Halt zu haben, für den „Tragling“ Mensch nicht nur eine soziale
Basiserfahrung ist, welche existentielle Sicherheit vermittelt. Sie bildet auch
einen wichtigen Faktor für menschliches Urvertrauen und das Phänomen der
„unanstössigen Übertragung“ (Freud) sowie eine Vergewisserung der „primären Liebe“ (Balint).
(Fortsetzung folgt)
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