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Doch was war oder kann an der Geburt so traumatisch sein?
Beginnen wir mit den einfühlsamen Bemerkungen Wilhelm Reichs zu diesem Thema. Reich ist wissenschaftshistorisch in keinerlei Weise den angeführten wissenschaftlichen Traditionen der Pränatalpsychologie zuzuordnen. Auf Grundlage seiner eigenen Forschungen und therapeutischen Arbeit entwickelte er eine seismographische Wahrnehmung für die traumatischen Aspekte von Geburtspraktiken, die teilweise heute in vielen Ländern noch Gang und gäbe sind. Ich gebe hier in eigener Übersetzung ein längeres Zitat aus einem Interview wieder, das der Freud-Chronist Kurt Eissler 1952 mit Wilhelm Reich durchführte. Unter dem Titel »Reich speaks of Freud« wurde dieses Interview 1967 in Buchform veröffentlicht.
"Wenn ein Kind geboren wird, kommt es aus dem 37° warmen Uterus heraus in eine Temperatur von 18 bis 20°. Das ist schlimm genug. Der Schock der Geburt … schlimm genug. Aber es könnte überleben, wenn das folgende nicht geschehen würde. Wenn es herauskommt, wird es an den Beinen hochgehoben und auf den Po geschlagen. Die erste Begrüßung ist ein Schlag. Die nächste Begrüßung: es wird von der Mutter getrennt. Richtig? Ich möchte, dass Sie ganz genau hinhören. Es wird unglaublich klingen in hundert Jahren. Es wird von der Mutter getrennt. Die Mutter darf ihr Baby nicht berühren, nicht sehen. Das Baby hat keinen Körperkontakt mehr, nachdem es 9 Monate Körperkontakt hatte bei einer sehr hohen Temperatur – was wir den „orgonotischen Körperenergie-Kontakt“ nennen, den Feldkontakt zwischen beiden, die Wärme und die Hitze.
(…)
[anschließend beschreibt Reich die Praxis der Penisbeschneidung]
Beschneidung ist eines der übelsten Behandlungen von Kindern. Und was geschieht Ihnen dabei? Schau sie einfach an. Sie können nicht zu dir sprechen. Sie weinen, sie schreien. Dann ziehen sie sich zurück. Sie ziehen sich nach innen zurück, weg von dieser üblen Welt.
Ich drücke das hier sehr grobschlächtig aus, aber Sie verstehen, was ich meine, Doktor. Nun, das ist die Begrüßung. Es wird von der Mutter weggenommen. Die Mutter darf es nicht sehen. 24 oder 48 Stunden, nichts zu essen. Der Penis wird beschnitten. Und dann kommt das schlimmste: Dieses arme Kind versucht immer wieder vergeblich sich auszustrecken, um etwas Warmes zu finden, etwas, an dem es sich festhalten kann. Dann kommt es endlich zur Mutter, stülpt die Lippen über die Brustwarze der Mutter. Und was geschieht? Die Brustwarze ist kalt, oder erigiert nicht, oder die Milch kommt nicht, oder die Milch ist schlecht. Und das ist ganz allgemein so. Das ist nicht ein Fall von Tausend. Das ist ein generelles Problem. Das ist normal. Was macht das Neugeborene jetzt? Wie reagiert es darauf? Wie reagiert es darauf bio-energetisch? Es kann ja nicht kommen und dir erzählen „Oh, hör mal, ich leide so sehr, so sehr.“
Es weint und schreit einfach. Und, schließlich, gibt es auf. Es gibt auf und sagt „Nein!“. Es sagt nicht „nein“ in Worten, verstehen Sie, aber das ist die emotionale Situation. Wir Orgonomen wissen das. Wir erfahren es aus unseren Patienten. Wir bekommen es aus ihrer emotionalen Struktur heraus, aus ihrem Verhalten, nicht aus ihren Worten. Worte können es nicht ausdrücken. Hier, ganz am Anfang, entwickelt sich der Ur-Trotz. Hier entwickelt sich das „Nein“, das große NEIN der Menschseins. Und dann fragt ihr Euch, warum die Welt im Schlamassel steckt?“
(Fortsetzung folgt)
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