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Es existiert in unserer Kultur eine augenfällige Vielfalt von Störungsmustern beim Stillen. Die für Säugetiere typischen instinktiven Verhaltensweisen, insbesondere Geburt, Säugen, Sexualität unterliegen beim modernen Menschen auffälligen Beeinträchtigungen. Ist hier der Preis für die »Zivilisierung« des Menschentieres, auf die es selbst so stolz ist: Nichts klappt mehr aus sich heraus, von allein. Insbesondere im Bereich instinktiver Verhaltensweisen führen Unsicherheiten, Irritationen und Kopfgeburten schnell zu persönlichen Katastrophen.
Stillprobleme können die Säuglingsphase zu einer für alle Beteiligten quälenden Erfahrung machen. Die Stillphasen werden purer Stress, wachsen sich zu Lebensdramen aus. Sie werden zur lustlosen Pflichtübung oder werden bereits nach ein paar misslungenen Versuchen abgebrochen.
Dazu tritt die verbreitete Unkenntnis und Tabuisierung von Themen wie dem oralen Orgasmus des Säuglings, sexuellen Lusterfahrungen der Mutter und den Eifersuchtsreaktionen der Väter auf die vom "vergesellschafteten" Brüste seiner Frau.
Für die Praxis der seinsorientierten Körpertherapie ist allerdings eine andere Besonderheit von Bedeutung, die entweder unbekannt oder ebenfalls tabuisiert ist: die orale Trance. Damit bezeichne ich das Phänomen eines tiefen Entspannungsimpulses im Anschluss an den Trinkvorgang, ein Geschehnis, das als biologisch-energetischer Impuls bei der stillenden Mutter und dem Säugling gleichermaßen in Erscheinung tritt.
An dieser Stelle ein ergänzender Hinweis: Nicht die Tatsache des Bruststillens an sich scheint mir der entscheidende Faktor für eine befriedigende Stillbeziehung zu sein. Vielmehr erweist sich der Seinskontakt zwischen Mutter und Säugling als bedeutungsvoller. Die bio-emotionale Qualität des Kontakts dürfte für die Bindung und die frühkindliche Entwicklung wesentlicher zu sein als die Art der Nährung selbst, egal ob Brust oder Flasche.
Die orale Trance der Säuglingsphase repräsentiert die Besonderheit bei stillenden oder auch flaschenfütternden Müttern, dass der Säugling, wenn er genügend getrunken hat, die instinktive Neigung zeigt, spontan in Trance zu fallen. Sein Gesicht wird dabei rosig (»Lumination«), ein seliges Lächeln erscheint, das Köpfchen gibt hingebungsvoll nach, die Augen verdrehen sich leicht nach oben, die Lider sinken, die Atmung verflacht sich (»Tranceatmung«), der Körper entspannt sich und wirkt schwerer als vorher. Dies alles sind Anzeichen einer typischen parasympathischen vegetativen Reaktion.
Bestehen liebevolle Bindung und keine vegetativen Rhythmussstörungen zwischen Mutter und Baby, dann wird auch sie den Tranceimpuls bei sich wahrnehmen und keine Scheu zeigen, diesem nachzugeben. Beide, Mutter und Säugling, fallen in einen Trancezyklus, der um die 20-25 Minuten dauert. Ein gemeinsames »Aufwachen« kann beobachtet werden und mündet typischerweise in einen spielerischen, von liebevoller Leichtigkeit geprägten, Aktivitätsdrang auf beiden Seiten.
Die verbundene Trance rekapituliert den vegetativen Zyklus während der Schwangerschaft, d. h. sie wiederholt die pränatale Verschmelzungserfahrung und vertieft die frühkindliche Mutter-Kind-Bindung. Sie bejaht und unterstützt die bio-energetische Wahrheit im Organismus von Mutter und Säugling.
(Fortsetzung folgt).
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