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Ein zentraler Begriff der Psychotherapien in der Tradition der Psychoanalyse ist »Übertragung«. Via Wilhelm Reich ist dieser auch, zumindest theoretisch und wissenschaftshistorisch, Teil der zeitgenössischen Körperpsychotherapie, die ihre historischen Wurzeln ja in der Psychoanalyse verortet.
Der Begriff der Übertragung fasst das Beziehungsgeschehen zwischen Therapeut und Klient zusammen und bildet gleichzeitig ein grundlegendes Werkzeug für den Veränderungsprozess des Patienten. Das Übertragungstheorem besagt, dass bestimmte Gefühle, Einstellungen und Erwartungen, also bio-emotionale Informationen zwischen Therapeut und Patient ausgelöst und wirksam werden, die aus der Ebene des vor- oder unbewussten Gefühlslebens zum Vorschein kommen. Der Begriff der positiven Übertragung fasst hierbei alle jene Gefühlsregungen zusammen, die idealisierende Impulse bis hin zu Verliebtheitsgefühlen repräsentieren. Beim Begriff der negativen Übertragung finden sich Gefühlsinhalte gegensätzlicher Natur, also Misstrauen, Abwertung bis hin zur Feindseligkeit.
Bemerkenswert in unserem Zusammenhang dürfte sein, dass diesem Gefühlsgeschehen, das unter dem Begriff der Übertragung zusammengefasst wird, auch eine gewisse Künstlichkeit zugeordnet wird. Übertragungen sind in diesem Verständnis gleichzeitig real und artifiziell, da sie in einem symbolischen Raum entstehen und wirken.
Nur mit diesem Kunstgriff des Artifiziellen kann sich der Psychoanalytiker offenbar die Liebesimpulse oder anderen Gefühle seiner Patienten vom Hals halten und gleichzeitig die Abstinenzregel aufrecht erhalten.
Was aber wäre, wenn die tiefste Ebene der positiven Übertragungen ein reales Bedürfnis nach Liebe und Geliebt-Werden repräsentiert und eben keine artifizielle Reinszenierung darstellt? Oder wenn das, was in den positiven Übertragungen aufscheint, jene nicht-geschlossenen Kreise, jene unerledigten Geschäfte, jene offenen Fragen aus der Kindheit darstellen, die nach einer Antwort auf der Ebene der Liebe suchen?
Geht es in der tiefsten Tiefe unserer Seele um die heilende Erfahrung von Liebe oder um linguistische Deprogrammierungen auf der kognitiven Ebene? Geht es der Seele um spürbare Gesten der Liebe, in einem Blick, in einem Lächeln, in einem Nicken oder Kopfschütteln oder um brillante Deutungen und kluge Erklärungen unter dem Motto »wo Es war, soll Ich werden«?
(Fortsetzung folgt)
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