Sonntag, 27. November 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (133): Die Zwiesprache der Berührung

Foto: pixabay

Wie wir gesehen haben, findet sich in der dialogischen Berührung die Grundhaltung der Absichtlosigkeit, des rezeptiven Kontakts und der Herzcode-Verbindung. Spräche diese Berührung, so würde sie sagen: »Ich bin da, einfach da, mit dir, was auch immer geschieht. Ich halte dich mit liebevollen Händen, ich bin offen für deine Wahrheit.« In diesen Worten dürfte unschwer erkennbar sein, dass hier die uterale Matrix angesprochen ist, sowie die Grundzüge des mütterlichen und väterlichen Halts, die wir bereits an anderer Stelle erörtert haben.

Die berührenden Hände reagieren auf die subtilen Pulsationen in der Muskulatur des Berührten, und zwar in dem (Atem-)Rhythmus, der ihnen zueigen ist:
  • Der Kontakt folgt – weiterhin haltend – der pulsatorischen Bewegung dieser „Muskelatmung“, geht mit, verharrt jedoch an der »Kontaktgrenze« (damit bezeichnen wir jene Muskelschicht, in der die muskuläre Rigidität am deutlichsten wahrnehmbar ist).
  • Die Pulsation vertieft sich, die Berührung der Hände folgt ihren Endpunkten bis an die Grenze, geht aber nicht über sie hinaus.
  • So entsteht ein Zwiegespräch, ein »Tanz«, eine Begegnung zwischen der Pulsation der Muskeln und der Berührung der Hände. Wechselseitige, spielerische Dialoge zwischen Muskulatur und den berührenden Händen entwickeln sich.
Nun mag der aufmerksame Leser sich fragen, ob nicht hier die Haltung der Absichtslosigkeit verloren geht, denn diese Zwiesprache in der Berührung klingt durchaus nach etwas Intentionalem. Lassen Sie uns diesen Einwand kurz näher betrachten.

Wir hatten festgestellt, dass eine Intention, eine Absicht bei einer Intervention in der Regel der Gedankenwelt und seiner Konstrukte entstammt. Die Zwiesprache zwischen der Muskelatmung und den berührenden Händen des Körpertherapeuten besitzt jedoch eine Kontaktqualität des offenen Endes, der Ziellosigkeit, der Wahrnehmung, sowie der Neugier und Offenheit des Herzens.

Führen wir uns die Lebensfreude eines Krabbelkindes vor Augen, das seine Umgebung erforscht, dabei die Dinge »begreift«, in den Mund steckt, sich spielerisch aneignet. Dem Ego-Verstand erscheint ein solches Handeln wenig »zielführend«, um ein beliebtes Modewort hier anzuführen.

Die Berührung des seinsorientierten Körpertherapeuten ist eben nicht »zielführend«, sondern ein offenes Geschehen im Hier und Jetzt. Es ähnelt der Art und Weise, wie ein Kind sich die Lebensumwelt aneignet, wenn es denn gelassen wird. Wenn es den liebevollen Halt und den Rückhalt spürt, frei seinen Impulsen zur Kontaktaufnahme mit der Lebensumwelt zu folgen.

(Fortsetzung folgt)

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