Die Unfähigkeit des Säuglings, sich zu entspannen, zur Ruhe
zu kommen und Entregungsprozesse
(die ich als das Gegenteil der Erregungsprozesse ansehe) zuzulassen, tritt in extremer
Form in Verbindung mit dem sog. Schreibabysyndrom auf. Hier zeigt sich das Baby
in höchstem Maße alarmiert, was u.a. mit lang anhaltenden Schreianfällen,
chronischen Schlaf- und Einschlafstörungen, organismischen Blockierungen und
Kontaktstörungen einhergeht.
Bei diesem Syndrom zeigt sich das Phänomen, dass der Körper,
welcher nicht ausreichend Halt erfährt, sich zwangsläufig selbst Halt in
Gestalt von akuten Blockierungen auf der energetischen und muskulären Ebene verschafft.
Dies basiert auf der Tatsache, dass die Mutter über die inneren Ressourcen
verfügt, um ihrem Kind notwendigen Halt und Ruhe anzubieten, denn sie leidet unter
innerer und äußerer Haltlosigkeit. [Diederichs 1999]
Die organismische Botschaft, die Konditionierung, die hier
vermittelt wird, könnte aus der Sicht des Babys (und in der Sprache der
Erwachsen) lauten: „Das Bedürfnis nach tiefer Entspannung ist eine einsame
Erfahrung, die niemand mit mir teilt, am wenigsten meine Mutter. In dieser
Einsamkeit verliere ich die Verbindung zu ihr und zu allem um mich herum. Dazu
wirken dauernde Störungen, Geräusche, Hektik, Unruhe und machen es mir schwer,
loszulassen, mich zu entspannen, in diese wohltuenden tranceartigen Zustände zu
gehen.“
Derartige Prägungen auf der Seinsebene werden als resonanz-,
respekt- und (ver)bindungungslos erfahren. Sie werden als falsch erlebt.
Der Herzcode der Mutter zeigt sich von den eigenen
Selbstbeziehungsdefiziten geprägt. Diese werden so an die nächste Generation
weitergegeben. So entsteht ein Phänomen, das wir (kulturelle) Tradition nennen,
eine Tradition, die sich auf allen Stufenleitern der Gesellschaft widerspiegelt
und, vereinfacht gesagt, eine Quelle in der tiefen Entspannungsunfähigkeit und Ignoranz
gegenüber den Seinsaspekten des Lebens hat. Die subtile Botschaft, die bereits
dem jüngsten menschlichen Lebewesen in unserer Kultur vermittelt wird, lautet: „Du
bist nur etwas, wenn du machst, handelst, agierst, du bist nichts, wenn du
einfach nur so da bist.“
Was zunächst auf den archaischen Stufen der Entwicklung als
rein organismische Information existiert, wird später zur durchgängigen
charakterbildenden Botschaft: Liebe wird gewährt aufgrund von Erwartungserfüllung,
einem von der Lebensumwelt formulierten Anspruch, aber nicht um des Seins, der
Existenz als solcher willen. Diese
charakterbildende Liebe will erarbeitet sein. Es gibt keine Liebe auf der Stufe
des „Einfach-nur-Da-Seins“, es gibt keine Liebe auf der Seinsebene.
Was ist diese charakterbildende Liebe für eine Liebe? Ist
sie eine Liebe, die mir ermöglicht, mich selbst anzunehmen und zu lieben, wie
ich bin, den anderen anzunehmen und zu lieben, wie er ist?
(Fortsetzung folgt)
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