Samstag, 15. August 2015

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (27)


Die pränatale Erfahrungswelt von Fremdheit könnte die Basis von Entfremdungserfahrungen bilden, die in der postnatalen Entwicklung sich weiterhin herausbilden werden. Entfremdung lässt sich charakterisieren als eine Überflutung der organismischen Wahrheit des sich entwickelnden Lebens mit Informationen, auf die sie nicht vorbereitet ist. Informationen, auf die es, wie erwähnt, nur zwei Reaktionsmöglichkeiten gibt: Anpassung oder Rückzug / Erstarrung.

Stellen wir uns eine Situation vor, in der zwei Tanzpartner harmonisch zur Musik (der Lebensumwelt) tanzen – wobei die Tanzpartner in diesem Bild die Herzcode-Informationen von Mutter und Fötus wären – und dann eine andere, in welcher die Musik plötzlich arrhythmisch und disharmonisch erklingt, so dass die Tänzer aus dem Tritt kommen; die Tänzer werden zunächst versuchen, sich dem chaotischen Rhythmus anzupassen, dabei jedoch bald ihren gemeinsamen Rhythmus verlieren und schlussendlich, jeder für sich, aufgeben und in ihrer Bewegung erstarren.

Diese Erstarrung ähnelt dem, was Wilhelm Reich als angstvollen „Rückzug von der Welt“ beschrieben hat. Reichs besonderes Augenmerk galt bekanntlich den körperlichen Blockaden des Energieflusses im Menschen. Er schreibt:
[Pelvic armor precludes adequate orgastic discharge, reduces vitality of the genital organs, and thus impedes full bioenergetic functioning of the fetus. In addition, it renders the total emotional system more vulnerable to strains and stresses of family difficulties, pregnancy disorders, and the delivery itself.]
„Beckenpanzerung schließt angemessene orgastische Entladung aus, reduziert die Vitalität der Genitalorgane und behindert das volle bioenergetische Funktionieren des Foetus. Darüber hinaus macht es das ganze emotionale System verletzbarer für Belastungen und Stress aus familiären Schwierigkeiten, Schwangerschaftserkrankungen und die Geburt selbst.“ [Reich 1983, S. 90f.]

Reich betont hier die chronische, die charakterliche Konstitution der Mutter, welche entsprechend Einwirkungen nach sich zieht. Dieses Modell verbreitet allerdings wenig Optimismus: Ist das Becken gepanzert, dann erscheint es als unveränderliches Schicksal, es sei denn, die Mutter findet Wege einer Lösung ihres Beckenpanzers.

(Fortsetzung folgt)

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