Diagnostik der seinsorientierten Arbeit basiert
eigentlich nur auf einer einzigen, dafür aber grundlegenden, ja magischen
Frage: Wie ist die Beziehung des Menschen zu sich selbst?
In der jeweiligen Antwort liegt ein so umfassender Schlüssel
zum Verständnis einer Persönlichkeit, dass ich mich lange darüber gewundert habe,
warum diese einfache Frage im therapeutischen Zusammenhang offensichtlich eher
selten gestellt wird, wenn dies überhaupt der Fall ist. Meine Hypothese dazu
lautet: Die Fixierung auf das Äußere und die Außenwelt, also die Welt der
Objektbeziehungen und der „Anderen“ ist nicht nur beim Klienten ein beliebter
Mechanismus, um die Wahrnehmung der eigenen Schatten zu vermeiden, sondern auch
ein latenter Schatten in den psychotherapeutischen Ansätzen und deren
Vertretern, den Therapeuten selbst.
Kommen wir zur Frage selbst: „Was hältst du von dir
selbst, von dieser oder jener Eigenschaft von dir? Wie sympathisch oder
unsympathisch nimmst du dich im Grunde deines Herzens wahr? Wo ortest du dich im Umgang mit dir selbst auf der
Skala von liebevoll bis wütend?“
Es geht eigentlich immer nur um Varianten und
Ausformulierungen der Frage nach der Beziehung des Menschen zu sich selbst.
Dieses „zu sich selbst“ umfasst, wie ich oben ausgeführt habe, wichtige
Subsysteme: Stimme des Herzens, Gefühlsleben, Sexualität, Kognition.
In dieser diagnostischen Fragestellung ist aber gleichzeitig
ein erster transformativer Schritt der Des-Identifizierung mit der Persönlichkeit, mit
dem Ego, enthalten. Denn indem ich diese Frage stelle, nehme ich die Position eines Betrachters ein, der von einer Metaebene die eigene Persönlichkeit
wahrnimmt und beschreibt. Damit verbunden ist die Erfahrung, dass es also noch eine andere Instanz im Menschen gibt, die häufig als
„innerer Beobachter“ bezeichnet wird und ein erster Schritt der
Des-Identifizierung mit der Persönlichkeit darstellt.
Unter rein diagnostischen Gesichtspunkte fokussiert die seinsorientierte
Selbstbeziehungsdiagnostik sich auf folgende Fragen: Wie ist die Beziehung des
Menschen zu seinem Herzen, zu seiner organismischen Wahrheit, zu seinem Gefühlsleben (z. B. dem „inneren Kind“),
zu seiner Sexualität? Was hält er von sich selbst unter diesen Aspekten?
Wir haben in den ersten Abschnitten meiner Ausführungen (über Selbstbeziehungsdefizite
und den innerseelischen Bürgerkrieg) Beispiele dafür kennengelernt, wie
vielfältig die Symptome auf dieser Ebene sein können. Deshalb schließt sich hier die Frage an: Wie
verändert sich die Selbstbeziehung im Laufe des persönlichen Transformationsprozesses
eines Klienten? Diese Frage gibt Antworten auf Entwicklungen, die sich in
veränderten Selbst- und Objektbeziehungen zeigen.
(Fortsetzung folgt)
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