Betrachten wir die zwischenmenschliche Kommunikation, so
lässt sich unschwer feststellen, dass ihr überwiegender Teil diesem
Spiegelungsbedürfnis entspringt. Die Intensität dieser Spiegelungsbedürfnisse
scheint in jungen Jahren besonders ausgeprägt zu sein, die Ausformung der
eigenen Persönlichkeit und der jugendliche Idealismus wirken hier wie Schwämme,
die alles aufsaugen, was an Spiegelungsangeboten an sie herangetragen wird.
Hier sind auch die Erscheinungsformen des Spiegelungsverliebtsseins einzuordnen,
d. h. die idealisierende Überhöhung des Du, das dem eigenen Ich zu einer
narzisstischen Selbstvergewisserung verhelfen soll. Dieses Grundmuster scheint
mir auch die Basis all jener psychologischer Phänomene zu sein, die man in
tiefenpsychologischen Modellen als Übertragung bezeichnet.
Das Objekt dieses „Verliebtseins“ erscheint als die ideale
Spiegelung der eigenen Bedürfnisse, Ideale, Werte. Lauscht den Gesprächen von jungen Paaren in
der Verliebtsheitsphase, so lässt sich unschwer erkennen, dass der überwiegende
Teil Spiegelungsbedürfnisse zum Inhalt hat, man tastet sich gegenseitig auf der
Suche nach den gemeinsamen Vorlieben und Übereinstimmungen. Verliebte neigen dazu,
Abweichungen auszublenden. In diesem Sinne „macht Liebe blind“. Dem folgt dann
häufig Wochen oder Monate später das Erwachen, wenn deutlich wird, dass die
idealisierte Person auch durchaus menschliche Eigenschaft aufweist, die wir mit
C. G. Jung als Schatten bezeichnen und nicht in dieses idealisierende
Spiegelungsschema passen.
All dies deutet darauf hin, dass die ausgeprägten
menschlichen Spiegelungsbedürfnisse in Zusammenhang stehen mit der menschlichen
Natur und ihren frühkindlichen Prägungen.
Die moderne Säuglingsforschung unter ihrem Pionier Daniel
Stern hat vor einigen Jahrzehnten das Phänomen des „affect attunement“
erforscht und nachgewiesen. Dabei handelt es sich um ein spezifisches
Spiegelungsphänomen in der frühkindlichen Mutter-Kind-Dyade, in dem die Mutter
die Mimik und Gestik ihres Kindes in spielerischer Weise gleichzeitig spiegelt
und variiert und damit den veräußerten inneren empfindungsmäßigen Zustand des
Babys spiegelt. Stern beobachtete in seinen Micro-Analysen, dass die
Einfühlsamkeit, die Sensibilität der Mütter hier durchaus unterschiedlich sein
kann und Rückschlüsse auf die Qualität der Bindung zu dem Säugling zulässt. Zu
ähnlichen Beobachtungen und Schlussfolgerungen kam auch Heinz Kohut in seiner
Narzissmustheorie.
Es deutet alles darauf hin, dass es sich hier um ein
Phänomen handelt, das für die frühkindliche Entwicklung aller Menschen gilt. In
der frühen Entwicklungsphase geht es um eine Spiegelung auf der affektiven,
körpersprachlichen, mimischen Ebene.
Die Mutter
identifiziert sich vegetativ mit dem Kind, d. h. sie ahmt in ihrem
eigenen organismisch-energetischen System das nach, was in der
Ausdrucksbewegung des Kindes nach außen dringt und nach Antwort sucht. Damit
erfasst die einfühlsame Mutter nicht nur das innerseelische Erleben des Babys,
sondern spiegelt dieses intuitive Verstehen ihrem Kind wieder. Dies lässt sich
als Basiserfahrung eines „Gesehen- und Verstandenfühlens“ definieren.
Es ist
die ursprüngliche liebevolle Bestätigung an das Kind, das dieses in seinem
So-Sein, in seinem Sein, in dem, was es empfindet, einfühlsam verstanden und
angenommen wird. Es ist die Verbindung zweier Herzen, die sich erkennen und in Bindung
und Liebe begegnen. Es ist die prägende, fundamentale Erfahrung von Liebe oder
deren Mangel, die am Anfang der menschlichen Entwicklung steht und die Matrix
aller Spiegelungsbedürfnisse bildet.
(Fortsetzung folgt)
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