Innere Leere wird kompensiert durch eine Identität, die sich
nach den vorgestellten Blicken der
Anderen richtet: Blicken der Anerkennung, zustimmendes Nicken, Bewunderung, Lob,
kurzum, die Belohnung durch Spiegelung des Egos. Damit einhergehen häufig versteckte
oder offene Grandiositätsphantasien. Beide bilden eine funktionale Einheit. Für
beides ist das Individuum kulturell programmiert. So spielt es seine Rolle auf
der Bühne seines Lebens. Eine Rolle, die auf ein einziges Ziel ausgerichtet
ist: auf den Beifall.
Auf diesem Hintergrund zielt sein ganzes Bestreben dahin,
diejenigen Claqueure zu finden und sich zu verpflichten, die seinen Monologen den
angemessenen Beifall zollen.
Macht und Geld beweisen sich als Werkzeuge, um diese Ziele
zu erreichen, deshalb ist die Gier nach Macht und Geld auch ein so starker
Antrieb in der modernen Welt. Sie sind der Mörtel, um die Weltkonstruktionen
des Ego-Verstandes zu festigen und als uneinnehmbare Burg zu gestalten und zu sichern.
Macht und Geld, die Skalen der Geltung, werden von den Trägern und
Leistungsträgern unserer Kultur als lebenslange Aufgabe wahrgenommen und
umgesetzt.
Alle diese Verzerrungen der Beziehung zur inneren Wahrheit weisen
eine weitere fatale Gemeinsamkeit auf: die Suche nach Wahrheit, Sicherheit,
Heimat, Frieden, Liebe usw. bleibt in der Regel, d. h. in den kleinen persönlichen
Beziehungsmustern und den großen gesellschaftlichen und historischen
Zusammenhängen, auf das Außen, auf die äußere Welt gerichtet und somit eine
verzweifelte, tragische und zwecklose Suche.
Diese Außenorientierung der menschlichen Identitätssuche
repräsentiert jene Domestizierung der kindlichen Identität, die Wilhelm Reich
als „charakterliche Panzerung“ beschrieben hat.
Da sich Identität heutzutage weitgehend in der äußeren Welt in
Szene setzt, wird die Neigung des Individuums nachvollziehbar, sich in diesem
Szenario als Opfer zu erleben … die Ursache seines Leidens am Leben, seiner
Unzufriedenheit sucht es mit wechselnden Feindbildern in der Außenwelt, nie bei
sich selbst, denn das hat es nicht gelernt. Was die innere Welt angeht, ist der
moderne Mensch erschreckend unwissend, ein Analphabet.
(Fortsetzung folgt)
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