Es handelt sich hier um eine Spiegelung auf der
organismisch-energetischen und emotionalen Ebene im vorsprachlichen Stadium.
Findet hier eine angemessene Spiegelung nicht oder nur unzureichend statt, so
wird dieses ungestillte Bedürfnis mitgenommen in die daran anschließenden
Phasen der kindlichen Entwicklung -- bis ins Erwachsenenalter hinein.
Bei den Spiegelungsbedürfnissen des Heranwachsenden oder Erwachsenen
handelt es sich jedoch um eine ganz andere Ebene. Hier geht es um die
Spiegelung von Gedanken, Konzepten, Vorstellungen, Werten, Geschmäckern ,
Urteilen oder Ideen, die nur bedingt etwas mit dem Seelenleben, dem inneren
gefühlsmäßigen Sein zu tun haben. Es sind die Inhalte des Ego-Verstandes,
welche der Erwachsene an sein Gegenüber heranträgt, um Spiegelung zu erfahren.
Die Spiegelungsbedürfnisse des Babys finden also auf einer
bio-emotionalen, energetischen Ebene statt, die des Erwachsenen auf der
kognitiven Ebene des Gehirn und des Ego-Verstandes. Der Erwachsene definiert
sich als Ich, indem er seine Gedanken,
Werte, Weltkonstruktionen zu seiner Identität erhebt, also all das, was er in
seinem Ego-Verstand entwickelt hat. Genau dafür und auf dieser Ebene sucht er
im Anderen die Spiegelung.
Dieser Mechanismus führt zu all den vertrauten sozialen
Verhaltensmustern und sozialen Systemen, in denen sich Menschen
zusammenschließen: von den unpersönlichen „Likes“ bei Facebook bis hin zu
fanatisierten Terrorismusgruppierungen zieht sich ein roter Faden, der auf
vielfältige Weise zeigt, dass Menschen alles unternehmen, um sich in ihrem
Ego-Verstand narzisstisch gespiegelt zu
sehen. Die modernen sozialen Medien sind übrigens ein ideales Transportmittel
für dieses Unterfangen und genau diese Spiegelungsqualität scheint mir auch das
Geheimnis ihres Erfolgs zu sein.
Die Identität als Person oder als Gruppe basiert dabei im
Kern auf dieser Spiegelung, potenziert durch die Abgrenzung nach außen, durch
die Feindseligkeit gegenüber dem Nicht-Übereinstimmenden, der Differenz, dem
Anderssein. Wie es in jeder Art von Fanatismus aufscheint, kann diese
Abgrenzung gegenüber der Welt oder „den Anderen“, die nicht mit dem eigenen
Ego-Konstrukt übereinstimmen, extrem feindselige und destruktive Formen
annehmen. Insbesondere die Definitionsmacht dessen, wer Feind ist, stellt die Basis jeder Art sozialer Macht dar.
Die Ausübung dieser Macht in Politik und Religion war stets eine der treibenden Kräfte und Schlachtfelder, welche von den Kreuzzügen und Hexenverbrennungen des Mittelalters über die Gewaltorgien des Kolonialismus und Nationalismus bis hin zu den Völkermorden, Gulags und Vernichtungslagern des 20. Jahrhunderts führen.
Die Ausübung dieser Macht in Politik und Religion war stets eine der treibenden Kräfte und Schlachtfelder, welche von den Kreuzzügen und Hexenverbrennungen des Mittelalters über die Gewaltorgien des Kolonialismus und Nationalismus bis hin zu den Völkermorden, Gulags und Vernichtungslagern des 20. Jahrhunderts führen.
Auch wenn diese Vorstellung schwer erträglich ist: Es führt ein einziger, wenn auch sehr weiter Weg von den
Spiegelungsbedürfnissen des Babys über die narzisstischen
Spiegelungsbedürfnisse des normalen Erwachsenen bis hin zu den
Selbstmordattentaten des IS. In allen Fällen geht es um die Bestätigung des
eigenen Wahrheit durch (einen) andere(n) Menschen, und diese Wahrheit reicht
von Offenherzigkeit und Liebe über die Sucht nach Anerkennung der eigenen
Wertvorstellungen bis hin zu den hasserfüllten Größen- und Machtphantasien von Diktatoren
und Terrorgruppen.
Es gibt allerdings eine tiefe Wahrheit in all dem: Das
Spiegelungsbedürfnis des Babys ist ein biologisches Programm, das bei jedem
Baby erkennbar ist und mit der Geburt jedes Kindes, mit jeder Geburt, wieder und wieder nach
Antwort sucht: nach einer Antwort der Liebe. Mit jedem Neugeborenen kommt eine
neue Hoffnung auf die Welt, ein neues Potential von Liebe. Dies ist möglicherweise
die tiefe, verborgene Wahrheit, die im Weihnachtsmythos von der Geburt
Christi enthalten ist.
(Fortsetzung folgt)
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