Sonntag, 24. Januar 2016

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (60): Die neuen Helden des Internet-Zeitalters

 Hier, in den medialen Szenarien bieten sich die stets gleichen Identifizierungen an und bilden damit das Glücksversprechen der Helden, der Sieger, der Rächer, der Retter. Wichtig ist die Frau, die „perfekter“, schöner ist als die andere, oder der Mann, der als erster durch das Ziel kommt usw. Fast jeder Krimi, jedes Film- und Computerspielszenario, jedes soziale Netzwerk reflektiert auf diese oder ähnliche Weise die Spiegelungsbedürfnisse des Individuums.

So gibt es zwei Kategorien von Helden. Da ist einmal der traditionelle Held, dessen besondere Eigenschaft in seinen übermenschlichen bis quasi-göttlichen Fähigkeiten, seiner Großartigkeit auf einem oder mehreren Gebieten zu finden ist. Dieser traditionelle Held, inzwischen auch durchaus losgelöst vom Geschlecht des Protagonisten zeigt Stärke, Kraft, Durchhalte- und setzungsvermögen, Klugheit usw., die alles überwindet. In diese Kategorie gehören die seit Generationen bewunderten Helden, die, wie James Bond oder der Scientologe mit der unmöglichen Mission, notorisch gleich die ganze Welt retten, oder – bescheidener – sich auf Rache- oder Säuberungsaktionen gegen das Böse im regionalen Umfeld oder Dienstbereich kümmern.

Die andere Kategorie von Helden ist ein historisches Novum und ein Phänomen, das wesentlich durch das Internet hervorgebracht wurde: Der Ruhm, in den sozialen Netzwerken spricht man euphemistisch von „Fame“, als wäre das deutsche Wort Ruhm doch etwas peinlich, bildet die Antriebskraft des Ego-dominierten Spiegelungsbedürfnisses. „Fame“ durch Tausende „Likes“ in den sozialen Netzwerken repräsentiert die Sehnsucht des Helden von heute.

Es sind nicht die herausragende Tat oder die quasi-göttlichen Eigenschaften, die hier zum Helden qualifizieren, sondern der sichere Instinkt für das,  was den Massengeschmack an treffendsten widerspiegelt. Analog zu den Charaktermasken von Politikern, Fernsehunterhaltern und sonstigen VIPs geht es heute allein um die Kompatibilität mit den Massen und dem Massengeschmack.
Der Jugendliche mit eigenem YouTube-Kanal, der Superstar oder das nächste Topmodell im TV, sie alle sind die Vorbilder und Idole in den Sehnsüchten von Kindern und Jugendlichen auf der Suche nach Identität. Hier finden sich die massenwirksamen Angebote, die den Heranwachsenden aus dem reichen Fundus unserer Kultur kredenzt werden.

Die Helden unserer Epoche sind  also jene hochglanzpolierten Projektionsflächen für die Spiegelungswünsche der Mehrheit: die Eliten selbst (die es immer schon waren) und die „Famer“, also jene meist jungen Menschen, die in den neuen Medien zu Idolen werden, und sich als Karrierevorbilder für die Massen der Heranwachsenden hervortun.

In beiden Heldensystemen hat das Verachtete und Beschämte, das nicht berechenbare und nicht perfekte Seelenleben, das Numinose und Profane, und  manche andere Facette der menschlichen Wahrheit keinen Platz. In ihren medialen Hochglanzwelten erscheint alles als unwichtig, als nicht kompatibel, was der präsentierten Großartigkeit zuwiderlaufen könnte.

So bleibt von unserer hochentwickelten Kultur nicht allzu viel übrig, was der nächsten Generation übergeben wird, solange TV und PC die einzigen Dialoggefährten für Kinder und Jugendliche sind und bleiben.

(Fortsetzung folgt)

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