Mittwoch, 8. Juli 2015

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (10)


In vielen charakterlichen Inszenierungen des ISB zeigt sich eine rigide Ablehnung gegenüber Anteilen der eigenen Persönlichkeit, der von Vernachlässigung bis zu offener Ablehnung geprägt ist. Dabei tritt der innere Erwachsene dem inneren Kind mit Botschaften gegenüber wie: „Am liebsten würde ich dir manchmal den Hals umdrehen“, „In manchen Situationen wünschte ich, du wärst nicht da“, „Wenn du anders wärest, dann wäre alles gut“, „Wenn du dich so verhältst wie jetzt, verachte ich dich einfach nur“. Wohlgemerkt, diese und andere Aussagen finden sich in den inneren Dialogen des ISB in der einen oder anderen Variante.

Ein inneres Kind und die Stimme des Herzens,  die emotionalen Botschaften dieser Qualität ausgesetzt sind, können sich zwar zurückziehen, können still werden, sich verbergen in dunklen Ecken, aber sie können und werden sich nicht im Nichts auflösen. Sie sind und bleiben Teil der Persönlichkeit, ein Leben lang.

Das innere Kind lebt und hat überlebt. Es hat der jeweiligen familiären Umwelt gelernt zu überleben und überlebt auch im innerseelischen Bürgerkrieg. Das innere Kind hat wahrscheinlich gelernt, sich in dieser oder jener Weise zu schützen, in jedem Fall aber ein abgrundtiefes Misstrauen entwickelt, ein tiefes Misstrauen gegen jeden Menschen. Ein Misstrauen, das es schwer macht, den eigenen Gefühlen und denen anderer Menschen Vertrauen entgegen zu bringen.

Das ganze Szenario des innerseelischen Bürgerkriegs beschreibt die Beziehungsrealität, in der innerer Erwachsener und inneres Kind leben: Sie können nicht miteinander, sie können aber nicht ohne einander leben.

Sie haben aufgehört, sich zuzuhören, miteinander zu reden, sich überhaupt wahrzunehmen als die, die sie sind. So gehen sie sich aus dem Weg, beschämen, verachten, demütigen sich, oder schweigen sich an, trotzen, provozieren. Sie leben unter demselben Dach, im gleichen Haus. Diese intrapsychischen Realitäten erinnern nicht zufällig an die Schilderung einer gestörten Paarbeziehung.

Sie bilden und reproduzieren das intrapsychische Familiensystem, die Persönlichkeit, den Charakter. Sie sind auf Gedeih und Verderben aneinander gebunden. Sie tun so, als gäbe es eine Perspektive, wenn der jeweils andere nicht mehr da wäre, nicht mehr existieren würde. Sie reproduzieren diese Illusion und damit den ISB, Tag für Tag, Stunde für Stunde, Situation für Situation. Die Wahrheit, die beide ausblenden, ist: Wenn der eine nicht mehr existieren würde, dann würde der andere auch auf- hören zu leben. Es kann keinen Sieger geben. Deshalb ist es ein vollkommen aussichtsloser Kampf, der, bisweilen ein Leben lang, gekämpft wird.

(Forsetzung folgt)

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