Das Pendant zum sentimentalen Herz ist das heroische Herz,
das trotzig und gegen alle Widerstände der Realität seinen – rigiden – Weg
sucht, der häufig in Mord und Totschlag endet, sei es als Täter oder als Opfer.
Es handelt sich um ein Herz, das ruhelos marschiert, niemals ruht, spürt,
empfängt und integriert, dabei jedes Opfer zu bringen bereit ist und
gleichzeitig jede soziale Rezeptivität vermissen lässt, diese ausblendet.
Die großen Liebesdramen unserer Kultur zeigen meist ein
Mischung aus beidem: Ich denke dabei an Romeo und Julia, Tristan und Isolde und
die unzähligen Liebesdramen der modernen Filmwelt. Das Hollywood-Happyend symbolisiert
eine realitätsfremde Überhöhung dieser
Varianten, denn es zeigt ein Ende in demjenigen Augenblick, in dem sich das Liebespaar
findet. Beginnt die Geschichte einer Liebesbeziehung und die Erdung in der
Realität durch die sukzessive Ernüchterung hier nicht erst?
In unserer Kultur zeigt sich die Stimme des Herzens nur in
ihrer verzerrten Gestalt und beschränkt sich bestenfalls auf die Schaffung
einer Welt des Scheins, erweist sich als Inszenierung der Phantasie, als
kommerzielle Verzerrung der Wirklichkeit. So hinterlässt die Stimme des Herzens
nur wenige Spuren in Veränderungen gesellschaftlicher Realität. Macht, ökonomische
oder politische, und Herz schließen sich aus. Herz präsentiert sich nur dort,
wo es, fern von der Macht, sich in den Kellern der sozialen Ohnmacht
artikuliert, sentimental oder phantastisch-heroisch.
So fristet die Stimme des Herzens eine Existenz auf
Nebenschauplätzen gesellschaftlichen Bewusstseins, belächelt, ironisiert,
bestenfalls als romantischer Kinderkram abgetan.
Dieses verzerrte Selbstbild des Menschen verhindert, dass
die Instanzen des Herzens und des Gehirns das Potential eines Zusammenwirkens
entdecken, es verhindert ihre Partnerschaft, betoniert Machtverhältnis und
Feindseligkeit.
Der Einzelne bleibt auf der Suche nach sich selbst. Denn er
baut sein Selbst-Bewusstsein auf dieser verzerrten Selbst-Wahrnehmung auf.
Irgendetwas stimmt nicht, doch er ahnt nicht, was nicht stimmt.
Der „vereinzelte Einzelne“ (Marx) bleibt sich selbst fremd,
entfremdet und baut sein Dasein auf falschen Voraussetzungen der Beziehung zwischen
seinem Gehirn-Bewusstsein und seinem Herz-Bewusstsein auf. Er hält sich für
rational, vernunftbestimmt und agiert doch das Gegenteil. Er
beansprucht seinen Körper wie eine seiner vielen Maschinen, und der Körper
reagiert mit seelischen Symptomen, der modernen Variante individuellen Leids.
Der
moderne, sich selbst in seinem Herzen entfremdete Mensch errichtet um sich gigantische
Verteidigungsanlagen aus Geld, Versicherungen, Waren, Dingen, grandiosen
Selbstinszenierungen ... abgehetzt, erschöpft und stets um die eigene falsche Identität
kreisend bleibt er voller Angst und tiefer Lebensangst.
(Fortsetzung folgt)
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